Viele Arbeitsstunden für ein Prunkstück
Reigoldswil Pensionierter Feinmechaniker baut eine Pistole aus dem 19. Jahrhundert nach

Der Reigoldswiler Urs Wagner hat mit Herzblut und Leidenschaft eine französische Kavalleriepistole mit Steinschloss aus dem 19. Jahrhundert nachgebaut. Das Prunkstück ist ein Unikat. Es ist von A bis Z in Handarbeit entstanden, in Hunderten von Arbeitsstunden.
Die von Urs Wagner hergestellte französische Kavalleriepistole mit Steinschloss, Modell 1805, ist ein Prunkstück. Auch Nicht-Waffenliebhaber sind angetan von der handwerklichen Meisterleistung, die der 76-Jährige Oberbaselbieter, der auch leidenschaftlicher Jäger ist, vollbracht hat. Die Duellpistole, wie sie auch bezeichnet wird, ist in absoluter Handarbeit entstanden. «Von der Zeichnung bis zum Feinschliff», sagt der gelernte Feinmechaniker, der während seiner Berufszeit 42 Jahre bei der Tschudin & Heid in Waldenburg, auch als Lehrmeister, tätig war.
Tüftler und handwerkliches Genie
Im Haus von Wagner an der Bretzwilerstrasse 10 merkt man, dass hier ein besonderer Mann, eben ein «Tüftler» wohnt. Der Reigoldswiler Gemeindepräsident Fritz Sutter bezeichnet ihn als «handwerkliches Genie». Wagner hat nicht nur die Pistole nachgebaut, sondern er ist auch Hersteller von Messern wie beispielsweise dem Schnitzmesser zur Baselbieter Sonntagstracht, Jagdmessern, oder von Landwirtschaftsgeräten wie unter anderem von einem Heuwagen, der im Dialekt «Schnägge» genannt wird.
«Ich habe mir schon 10 bis 15 Jahre vor der Pension Gedanken darüber gemacht, was ich dereinst als Pensionist alles machen werde», sagt der Witwer, dessen Frau vor Jahren an einer heimtückischen Krankheit gestorben ist. «Meine Steckenpferde haben mir letztlich geholfen, diesen schweren Verlust einigermassen zu verkraften», blickt einstige Korporal der Armee zurück. Heute gehe es ihm soweit ordentlich, sagt er im Rahmen seiner Erklärungen zur Duellpistole.
Jäger und Schütze
Die französische Kavalleriepistole mit Steinschloss, Modell 1805, entspricht dem Militär-Reglement der Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1817. Deren 207 Millimeter langer Lauf ist aus Eisen. Die Waffe selbst hat eine Länge von 352 Millimeter, das Rohr ist «glatt» und das Kaliber, für Schützinnen und Schützen interessant, misst 17,1 Millimeter. Mit 1,269 Kilogramm Gewicht sei das Gewicht der Waffe «ordentlich», weiss Wagner, der als Aktiver der Pistolenschützen Ryffenstein weiss, von was er spricht. Der passionierte Schütze ist seit 45 Jahren auch Jäger und in dieser Funktion seit 1979 Pächter des Reigoldswiler Reviers. Auch aus diesem Blickwinkel versteht man seine Leidenschaft zum Schiesswesen. Er hat aber noch viele andere Bereiche, wo er sich engagiert. Auch dort mit Herzblut und vollem Engagement. Während 28 Jahren war er beim Musikverein Reigoldswil als Baritonist aktiv, volle 37 Jahre bei den Jagdhornbläsern Ergolz. «Das alles hat mir viel gegeben», ist Wagner dankbar.
Vorteile als Feinmechaniker
Er war zwar im Brotberuf Feinmechaniker und ist es quasi als Pensionist auch heute noch, hätte aber noch viel lieber einen anderen Beruf erlernt. «Ich wollte Büchsenmacher werden. Doch das lag damals nicht drin, aus familiären wie finanziellen Gründen. Lehrbetriebe für diesen Beruf gab es hier im der Umgebung keine.» So habe er in der Rego-Fix in Reigoldswil Feinmechaniker gelernt. «Eine anspruchsvolle Ausbildung», wie er sagt.
Das alles war ihm beim Herstellen der Pistole von grossem Nutzen. Baupläne habe es nie gegeben. «Ich habe alles nach einem Original selbst entworfen», lacht Wagner. In mehreren Stufen erfolgte der eigentliche Nachbau. Im Modellverfahren quasi.
Er habe geschliffen, gedreht, die Federn selber gehärtet, mit Aluminium, Blech, Messing und Metall generell gearbeitet wie auch mit Holz. «Wenn notwendig habe ich zuerst ein kleines Teil-Modell erstellt.»
Wertvolle Duellpistole
Urs Wagner hat mit der nunmehr hergestellten Waffe, die im 19. Jahrhundert in Frankreich bereits als Duellpistole über Leben und Tod entschied, die Meisterprüfung in seinem Fach fraglos bestanden. Er sagt, dass die Pistole einsatzfähig wäre, er sie aber noch nie zum Schiessen benutzt habe. «Vielleicht tue ich das noch», hält er fest. Ernst ist es ihm dabei aber nicht, war unser Eindruck. Er behandelt sie wie einen Edelstein. In «Watte» verpackt und mit Handschuhen. Er wird wohl keine solche Pistole mehr bauen. «Eher etwas anderes, allenfalls weitere landwirtschaftliche Geräte, Messer oder Bilder wie meine Bild-Intarsien.»