«Die Politik muss für die Bevölkerung da sein»
Im Gespräch Alt Bundesrat Adolf Ogi noch immer in herausragender Form
Im Rahmen einer Podiumsveranstaltung im Gritt Seniorenzentrum Waldenburgertal in Niederdorf hat alt Bundesrat Adolf Ogi (einmal mehr) dokumentiert, dass er sich noch immer, mit 82 Jahren, in herausragender Form befindet. Im Zentrum der gegen zweistündigen Veranstaltung diskutierte er primär mit Zentrumsleiter Stephan Hall, aber auch mit Personal und Bewohnerinnen.
Er habe sich gefreut über die Einladung ins Baselbiet, sagt Adolf Ogi. Er sei gerne ins «Gritt» gekommen. «Ich bin älter als US-Präsident Joe Biden und Sie geben mir trotzdem die Gelegenheit, mit Ihnen zu reden», kommentierte er gleich zu Beginn schmunzelnd. Der Applaus dazu war garantiert und viele Lacher ebenso.
Der alt Bundesrat wurde aber auch «ernst» und er sagte vieles, welches das Publikum sehr aufmerksam entgegennahm. «Die Politik muss für die Bevölkerung da sein», hielt Ogi mit Nachdruck fest. Er habe dies nicht immer so erlebt, führte der Berner Oberländer weiter aus. Wichtig sei für ihn als Bundesrat in diesem Sinne deshalb immer gewesen, entsprechende Gespräche zu führen und gleichzeitig Vertrauen aufzubauen. «Im Speziellen auf internationaler Ebene ist das gegenseitige Vertrauen immens wichtig.» Dokumentiert hat er diese Aussage mit seinen und auf Dauer gefestigten Beziehungen zu ehemaligen internationalen Grössen wie dem französischen Staatspräsidenten François Mitterand, Uno-Generalsekretär Kofi Annan oder US-Präsident Bill Clinton. Ogi, der auch in Niederdorf einen Bergkristall in seinem Hosensack mit dabei hatte, erwähnte zudem den Empfang des chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin vor 25 Jahren in Bern, wo es wegen einer Anti-China-Demo beinahe zu einem Abbruch des Staatsbesuchs gekommen wäre. Ogi rettete die drohende Eskalation mit einem Bergkristall ...
Dennoch: In seinen Ausführungen stand immer wieder ein Mann im Mittelpunkt, sein Vater, ehemals Förster, Skilehrer, Bergführer und Gemeindepräsident von Kandersteg. Er sei nie schlechter Laune gewesen. «Vater war ein dienender Mensch. Er war und ist noch heute mein grosses Vorbild.»
Ogi erzählte aus dem damaligen Kandersteg, frei von jedem Manuskript, interessant und faszinierend. Die Welt sei in den 40er- und 50er-Jahren, vor Ort, eine völlig andere gewesen. So auch die Schule, wo Ogis Primarlehrer jeden Morgen drei Sachen gemacht habe. «Wir haben gebetet, gesungen und politisiert.»
Und wieder in Bezug auf seinen Vater ergänzte er, dass er ihm einst etwas für ihn Unverzichtbares gesagt habe. Sehr oft sei es der Weise und nicht der Intelligente, der im Vorteil sei. «Er hat mir diesen Unterschied vor vielen vielen Jahren erklärt ...»
Der gläubige Protestant, dem man bei Staatsempfängen auf sein Verlangen oft «Grapillon» anstatt Wein reichte, erzählte schliesslich auch über den Tod seines Sohnes Mathias, die Stiftung «Freude herrscht» oder seine Militärlaufbahn, wo er es bis zum Bataillonskommandanten brachte.
Auf die «Neuzeit» bezogen, hielt er fest, dass «wir dringend eine friedlichere Welt» bräuchten. Er brachte zum Ausdruck, dass der Krieg an vielen Orten sehr schlimm geworden sei. «Das belastet auch mich.» Geschlossen hat der 82-jährige Ogi seine Ausführungen mit einer unerwarteten Aussage. «Bitte entschuldigen Sie, dass ich bei meinen Ausführungen heute so lang war.» Applaus, Applaus war die verdiente Quittung für seinen Auftritt im Waldenburgertal.