Auferstanden aus den Kriegswirren

Waldenburg Kinder- und Jugendchor «Odessa’s Perlen» singt wieder  

Der Chor Odessa’s Perlen ist aus den Kriegswirren erfolgreich auferstanden. Foto: zVg

Seit zweieinhalb Jahren herrscht durch den russischen Überfall Krieg in der Ukraine. Zuerst konzentrierten sich die militärischen Auseinandersetzungen auf den östlichen Teil des Landes, allmählich verlagerten sie sich Richtung Westen, unter anderem in Richtung der Hafenstadt Odessa. In dieser mondänen und geschichtsträchtigen Stadt mit der berühmten Potemkinschen Treppe, welche im weltbekannten Film «Panzer Potemkin» fast die Hauptrolle spielte, war es Larissa Garbuz, welche vor etwa 32 Jahren an der Musikhochschule den Kinderchor «Odessa’s Perlen» gründete. Es sollte der Anfang eines beispiellosen Erfolgs werden mit Auftritten in Korea, Mauritius und in vielen europäischen Städten. Auch in der Schweiz, insbesondere im Baselbiet, hatte der Chor dank der Initiative von Anna Herbst, gebürtige Ukrainerin, Sopranistin, Präsidentin und Gründerin des Kulturklubs «Kirschgarten» aus Waldenburg, fünf Jahre lang ihre glanzvollen Auftritte – Der Kulturclub «Kirschgarten» versteht sich als Brückenbauer zwischen Ost- und Westeuropa in musikalischem und zwischenmenschlichem Sinne.

Schwierige Bedingungen

Die hiesige letzte Konzertreihe des erfolgreichen und berühmten Kinder- und Jugendchors unter dem Motto «Musikalische Weltreise 2021» war im September 2021 in vier Gemeinden, darunter Waldenburg. Einige Monate später war Krieg. Viele Kinder aus dem Chor traten vor den Kriegswirren ungewollt die Flucht an und lebten alsbald zerstreut in vielen Städten in Europa. Die Dirigentin Larissa Garbuz verschlug es nach Rumänien. Der Krieg intensivierte sich und bedingt durch die anhaltenden russischen Luftangriffe auf das ukrainische Energiesystem kommt es heute in allen Teilen der Ukraine zu langen Stromausfällen. Jetzt nach gut zwei Jahren ist der Chor aus den Kriegswirren auferstanden und er gab wieder Konzerte in unter anderem Wien und Florenz. Auch die Konzerte im eigenen Opernhaus in Odessa wurden wieder aufgenommen, auch wenn unter erschwerten Bedingungen, wie Anna Herbst berichtet: «Die Auftritte dort sind unberechenbar. Die Stromzufuhr ist durch den Strommangel reduziert und dieser Umstand beeinträchtigt die Proben und die Auftritte des Chors.»

Ein neuer Chor wird aufgebaut

Dass der Chor wieder seine Auftritte hat, verdankt er dem unermüdlichen Engagement der Larissa Garbuz, welche es gelungen ist, rundum den gebliebenen Kindern ein neuer Chor aufzubauen. «Es ist zwar wie ein Neustart», sagt dazu Anna Herbst, «aber im Vergleich zu früher unter extrem schwierigeren Bedingungen.» Was wie ein Aufbruch in eine hoffnungsvollere Zukunft klingt, ist nur ein kleiner Lichtpunkt in weiterhin dunklen Zeiten. Die Tagesordnung in der Stadt ist zusammengebrochen, auch wenn die Menschen sorglos scheinen. «Für die Menschen in Odessa und in der ganzen Ukraine ist das Leben schwer», sagt dann auch Anna Herbst. «Viele Leute, darunter sind Ärzte, Fachkräfte und andere berufliche Spezialisten, auch im Ausbildungsbereich wie Lehrerinnen und Lehrer, sind aus Odessa geflüchtet.»

Die Zurückgebliebenen haben keine andere Wahl als den Alltag irgendwie zu meistern, dies bei regelmässigem Bombenalarm. Das gilt auch für die jungen Mitglieder der «Odessa’s Perlen». Das Miteinandersingen stärkt das Gemeinschaftsgefühl und nimmt den Kindern und Jugendlichen die Angst. Nicht nur in Odessa mit seinem prächtigen Opernhaus hoch über der Stadt als Symbol für Freiheit und Durchhaltewillen, sondern in der ganzen kriegsversehrten Ukraine ist Musik zu einer symbolischen Waffe geworden und spendet zugleich Trost. Jeden Tag finden in verschiedenen Sälen des Opernhaus Konzerte statt und sind ausgebucht, ebenso die Auftritte der «Odessa’s Perlen». Anna Herbst ist von den Menschen dort beeindruckt. «Sie zeigen sich hier von ihrer besten Seite, denn sie wollen mit ihren Kindern weiterleben. Diese Kinder sollen wissen wer Mozart, wer Bach war und ihr tägliches Leben mit Singen füllen.»

Singen kann schliesslich auch die düstersten Tage erleuchten, wie dies der aufgestandene Chor unter Beweis stellt. Nur werden sie in der Schweiz die Tage nicht mehr mit ihrem Gesang aufhellen, wie Anna Herbst mit Wehmut und Enttäuschung in der Stimme erläutert. «Der organisatorische Aufwand für einen Auftritt hier im Baselbiet ist riesig, bei vergleichsweise geringem Publikumsinteresse.» Bis kurz vor Ausbruch des Kriegs hatte sie noch gehofft, dass die Auftritte besser besucht werden. Diese Hoffnung trat nicht ein, worauf sie ernüchternd und schweren Herzens den Entscheid traf, hier keine Konzerte mehr anzubieten. Waldenburg oder welches Dorf im Baselbiet auch, ist – mit Respekt –schliesslich nicht Wien oder Florenz, wo der Chor mit Konzerten von hoher Qualität seine grossen Erfolge feiern konnte. Ob nicht eine städtische Agglomeration wie Basel, Zürich oder Luzern mehr Publikum anziehen würde? Ein Versuch hätte es dem renommierten Chor aus einer vom Krieg geschundenen Odessa allemal verdient.

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