Wenn Fasnächtler zünftig Luft ablassen
Liestal Am Umzug zeigten sich die Narren in Bestform und zogen bunt und schrill durchs Stedtli
Zwar ist im vergangenen Jahr die Welt ereignismässig einmal mehr fast aus den Fugen geraten, den Fasnächtlern ist das aber offensichtlich nicht so eingefahren. Ihre Aufmerksamkeit für die Sujetwahl galt vielmehr dem lokalen Geschehen. Dabei wurde sowohl Ungereimtes das einem so richtig auf den Wecker geht, wie auch Erfreuliches, das uns weiter bringt, in vielfältige Themen und Mottos verpackt genüsslich ausgespielt oder gefeiert. So war denn am vergangenen Sonntag die Umzugsroute vom Gitterli durchs Törli und die Rathausstrasse hinab eine einzige Narrenbühne, auf der dem vielen Volk so richtig eingeheizt wurde.
Darob vibrierte das Stedtli richtiggehend und stand ausnahmsweise ein bisschen auf dem Kopf. Und da haben sich die 78 Formationen, aufgeteilt in Wagencliquen, Gruppen, Schyssdräckzügli und Guggen so richtig ausgetobt. Die weit über 1000 Aktiven haben die für die Fasnacht aufgehobenen Schranken des Alltags und deren Freiheiten genutzt und in allerlei Sticheleien und Gags mit unterschiedlich bissiger Satire und mit viel Kreativität aufgezeigt, was die Volksseele allgemein so berührt. Dabei wurde laut geschränzt, fröhlich musiziert, intrigiert und die gesellschaftliche Entwicklung sozialkritisch hinterfragt. Kurzum: Es wurde Luft abgelassen, sozusagen als Seismograf der Befindlichkeiten.
«Mir verstönde nume Bahnhof»
Wenn die vielen Waggis die von ihren prächtig hergerichteten Wagen herab wortreich und wild gestikulierend etwas aufmüpfig die Sau rauslassen, gehört das halt genau so zur Essenz des Fasnachtsumzugs wie die Zwiebeln zur Mehlsuppe. Es gab aber auch andere Töne.
So hat sich die Pfeifer- und Tambouren-Clique «Excalibur» dem Liestaler Baustellen-Chaos und den Quartierplänen angenommen. Vielsagend lästern sie auf ihrer Laterne «Mir verstönde nume Bahnhof». Auch den «Schlümpfli» passt punkto Verkehr nicht alles. An ihrem Wagen hängt nebst der neu benannten Bushaltestelle «Törli» demonstrativ auch noch der herkömmliche Name «Wasserturmplatz». Derweil machen die «Neubürger» auf die stinkenden und überlaufenen Toi-Toi WC-Häuschen der letztjährigen Fasnacht aufmerksam. Der Waggis auf der WC-Schüssel als Vortrab der Gruppe spricht Bände.
Ohne Spott, aber mit viel Ehrerbietung haben sodann die «Lupo-Rueche» den Umzug bereichert. Die Guggenmusiker aus Lupsingen haben nämlich den 90. Geburtstag des Liestaler Stadtoriginals Max Braun zu ihrem Sujet erhoben und sind als «Braun-Kopien» aufgetreten. Nebst viel anderem Liestaler Klatsch und Tratsch waren die Klimakleber und die künstliche Intelligenz beliebte und fantasievoll ausgespielte Sujets. So verkünden die als Bier-Aktivisten auftretenden «Durschtigen 44er» von der fahrenden Theke herab: «Aktiviste wo sich uf d Strooss kläbe, das isch doch kei Läbe». Im Gegensatz dazu die Klimawaggis der «Wadäbisser»: «Mir chläbe eus uf d Strooss, das finde mir famos!» Gar nicht famos finden d «Ohregrübler» diese Hype um die künstliche Intelligenz. «Dank KI chönne sälbscht Affe, e Maturabschluss schaffe». Etwas moderater äussern sich da die Pfeifer und Tambouren der Rotstab-Clique im eleganten Silberlook: «Muesch gar nüt meh dänke, loss di vo dr KI lo länke».