Theater erklärt Kunst – ein Versuch

Visionen 19 Der «berliner-theater-trupp» umspielt Ramon Martins Kunstwerk «ohnheit – freimacht»

Das Theaterensemble mit dem Künstler vor seinem Werk. Fotos: A. Jegge

Das Theaterensemble mit dem Künstler vor seinem Werk. Fotos: A. Jegge

Der «männliche» Boxkampf, der aufgrund von Missverständnissen eskaliert.

Der «männliche» Boxkampf, der aufgrund von Missverständnissen eskaliert.

Der Ziefner Künstler Ramon Martin.

Der Ziefner Künstler Ramon Martin.

Vorspiel. Auf dem Schönthaltunnel neben dem neu erbauten Altersheim warten ein paar Menschen auf die Performance einer berlinerisch-schweizerischen Theatergruppe, die das Kunstwerk des Ziefners Ramon Martin interpretieren soll. Alle blinzeln in die noch grelle, aber spätsommerlich wärmende Abendsonne. Das auf der ansteigenden Wiese installierte Kunstwerk steht im Gegenlicht, es sind hellgrüne Trichter, installiert auf schwarzen Gestängen. Die Menschen begrüssen sich, plaudern und mutmassen über die Kunst. Es soll irgendwie um Kommunikation gehen, wird weitergegeben. Die Stimmung ist locker, interessiert.

Der breite Spazier- und Veloweg wird von vielen benutzt und manche bleiben stehen, um sich anzusehen, was da geboten wird. Ein Mensch fällt auf, er zeigt sich interessiert und versucht, ins Gespräch zu kommen. Er meckert über die Kunstwerke, fragt nach dem Sinn des Ganzen und kritisiert an der Veranstaltung so ziemlich alles. Die Zuschauer lassen ihn irgendwie links liegen, denn sie wollen unvoreingenommen etwas erfahren. Mit den Worten, er wolle sich hinsetzen, nimmt er Platz, verschwindet dann aber wieder – so unbemerkt wie er gekommen ist – Kommunikation also.

Hauptstück. Kitty Schaertlin als Initiantin von «Visionen 19» und der Künstler stellen ihr Vorhaben vor und Martin versuchte seine Vision darzulegen. Die Trichter stünden für die Situation des modernen Menschen, der von einer Vielzahl Informationen überschwemmt wird und der versucht, mittels Filter das für ihn Wesentliche herauszuhören und auch wieder weiterzusenden. Was noch fehlte, waren die Schauspieler selbst.

Die Truppe um den Ziefner Gabriel Stohler Mauch trudelte dann überfallartig ein, den Titel der Installation ständig wiederholend: «ohnheit – freimacht». Die Schauspieler, neben Stohler Mauch der Bündner Curdin Caviezel und die beiden deutschen Carole Marie Jachtmann und Bettina Brezinski, haben gleichzeitig in Berlin die Schauspielschule besucht. Sie legten ein Tempo von Schauspiel und Redefluss vor, der fast schwindelig machte. Kommunikationstheorien wurden in wechselnden Rollen ausprobiert, das Thema immer wieder umspielt, ohne genaue Rezepte abzugeben. Theorien scheiterten an der Praxis und die Widersprüchlichkeit in der Kommunikation trat mehrmals zutage.

Dass nicht immer alle dasselbe unter einem Begriff verstehen, zeigte das Whatsapp-Gespräch der beiden Männer: Der eine wurde ob den Antworten des anderen immer wütender, und dieser wollte seinen Kumpel nur zum Bier einladen. Das Ganze endete in einer Art Slapstick-Einlage als ein mit Musik hinterlegter Boxkampf.

Ausklang. Abrupt endete das Stück mit wieder eher theoretischen Zusätzen zum Menschsein in der Kommunikationshölle und dem Versuch des Einzelnen, human zu bleiben. Die schauspielerische Leistung des Quartetts war überragend. Mit viel Bewegung und einigen wenigen technischen Hilfsmitteln legten sie eine einstündige Performance hin, die zwar das Kunstwerk selbst nicht eindeutig erklärte, aber die Augen und Ohren öffnete, um dem künstlerischen Wollen näherzukommen.

Der anfangs erwähnte Mann hätte, wäre er geblieben, wohl etwas Neues erfahren über die Kunstwerke oder auch über sich, doch seine Filter haben dies verhindert. Für alle anderen Anwesenden war es ein toller Abend.

Fussnote: Das Stück wird nochmals aufgeführt am 25.August um 17 Uhr auf der Wiese neben dem Altersheim Schönthal.

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