Sie stellen Bücher ins Rampenlicht
Liestal Der Genossenschaftsbuchladen «Rapunzel» im Palazzo-Gebäude wird 40 Jahre alt
Sieben «ganz verschiedene Frauen» hätten vor 40 Jahren am Bahnhof Liestal den Buchladen Rapunzel gegründet, erzählt Maya Itin. Die Finanzierung sei über Darlehen gelaufen, als Geschäftsform sei die Genossenschaft gewählt worden. In den «bewegten 80er-Jahren» sei das die einzige Form gewesen, die in Frage gekommen sei: «Weil die Betreiberinnen unabhängig und ohne Chef sein wollten», weiss die Buchhändlerin. Diesem Model ist der Buchladen Rapunzel bis heute treu geblieben: Neben Itin und einer weiteren Kollegin, die beide seit 2004 dabei sind, zeichnen auch die anderen beiden Frauen, die im Laden arbeiten, als Genossenschafterinnen.
Von Anfang an war der Buchladen Rapunzel ins Kulturhaus Palazzo eingebunden, in dessen Erdgeschoss er sich befindet. Damals sprach dieser Ort eher ein linksalternatives Publikum an, während das bürgerliche Liestal eher einen Bogen darum machte. Dass der Buchladen wirtschaftlich bestehen konnte, ist unter anderem dem Gymnasium Liestal zu verdanken, das sei Anbeginn viele Bestellungen im Rapunzel aufgab.
Lange Zeit existierten im Kantonshauptort Liestal sechs Buchhandlungen nebeneinander. Konkurrenz habe es untereinander nicht gross gegeben, erinnert sich Maya Itin, man habe sich sogar gegenseitig empfohlen. Doch dann kam der Onlinehandel – heute sind von den sechs nur noch vier übrig. Das Rapunzel-Team versuchte, mit der Zeit zu gehen, richtete eine Homepage mit Webshop ein, konzentrierte sich auf den persönlichen Service, auf die Beziehung zu den Kundinnen und Kunden. «Als kleine Buchhandlung können wir flexibler reagieren», erklärt sich Maya Itin den erfolgreichen Geschäftsverlauf.
Auch der Zeitgeist komme dem Rapunzel entgegen, stellt sie fest: «Wir bewegen uns eher abseits vom Mainstream, unser Angebot ist sortierter, spezieller, ausgewählter.»
Ein Buch übers Sterben und eine wiederentdeckte Autorin
Es sei zwar schwierig, einen Buchtitel auszuwählen, der als «typisch» für das Rapunzel-Sortiment gelten könnte, meinen Maya Itin und ihre Kollegin Farah Dettwiler. Auf Wunsch der «ObZ» nennen sie trotzdem zwei Bücher, die ihnen aktuell gefallen und die sie gern empfehlen. Das eine ist «Ausleben», erschienen im Christoph Merian Verlag, in dem ältere Menschen über ihr Leben und ihre Gedanken zum Sterben erzählen. Das andere ist «Was für immer mir gehört» von Maya Angelou (1928–2014), einer afroamerikanischen Autorin, die gerade wiederentdeckt wird.
Anregen, Neues zu entdecken
Aktuell sind im Rapunzel auch Bücher zum Frauenstimmrecht zu finden oder Werke von Autorinnen und Autoren, die für den Schweizer Buchpreis nominiert sind. Schweizer Literatur wird im Rapunzel seit jeher sehr gepflegt, wobei das Sortiment hier nicht nur in die Breite geht, sondern auch in die Tiefe, und auch unbekanntere Namen umfasst.
Wer gerne Biografien liest, wird im Rapunzel ebenfalls fündig, und ein Blick auf die Regalbeschriftungen zeigt, dass der kleine Buchladen doch relativ vielseitig aufgestellt ist, von Elternthemen über Reisen und Sprachen bis zu Bildbänden und Kochen.
In der Kinder- und Jugendecke sind nicht in erster Linie die bekannten Bestseller-Reihen vertreten, dafür ausgesuchte Literatur, die diesen Altersgruppen ein mindestens ebenso spannendes Leseerlebnis bieten dürfte. Eine Märchen-Abteilung darf natürlich in einem Laden, der «Rapunzel» heisst, auch nicht fehlen.
Sucht eine Kundin oder ein Kunde ein spezielles Buch, das nicht im Laden vorhanden ist, dann kann es in der Regel am nächsten Tag abgeholt werden. «Das ist der Vorteil im Buchhandel, dass wir so schnelle Lieferzeiten haben», sagt Maya Itin. Davon abgesehen liege die Stärke des Rapunzel-Teams aber darin, ihrer Kundschaft ausgewählte Bücher zu empfehlen und sie anzuregen, Neues zu entdecken.
Jubiläumsfest abgesagt
Sein 40-Jahre-Jubiläum wollte der Buchladen eigentlich mit einem kleinen Fest und mit einem Apéro für die Kundschaft feiern. Wegen der Covid-19-Situation ist das leider nicht möglich.
Es wäre es schön gewesen, zum Jubiläum einen Anlass zu organisieren, bedauert Maya Itin. Der Buchladen Rapunzel führe nämlich, ausser den Büchertischen während Lesungen in der Kantonsbibliothek, normalerweise keine eigenen Veranstaltungen durch. Vielleicht gebe es im Frühling nachträglich Gelegenheit dazu – aber das stehe noch in den Sternen.
Insgesamt blicken Maya Itin und Farah Dettwiler optimistisch in in die Zukunft. Während des Lockdowns seien sie mit Bestellungen überschwemmt worden. «Es ist schön zu sehen, dass man sich in einer solchen Zeit wieder dem Buch zuwendet», sagt Maya Itin.
In Liestal fühlen sich die Rapunzel-Betreiberinnen weiterhin wohl: Es sei ein Aufschwung zu beobachten, etwa mit dem Markt, der viele Leute anziehe, oder den neuen Geschäften im Stedtli. Der Bahnhofumbau werde sicher noch weitere Einschränkungen bringen, fügt Farah Dettwiler hinzu, aber die neue Gestaltung bringe sicher auch Gutes – vielleicht, dass die Leute länger am Bahnhof blieben und im Buchladen vorbeischauten.
rapunzel-liestal.ch