Metall gehört zurück in den Kreislauf
Urban Mining Auf der Deponie Elbisgraben bei Arisdorf steht die modernste Metallrückgewinnungsanlage der Schweiz
Metall gehört eigentlich nicht in den Kehricht. Trotzdem finden sich in einem 35-Liter-Abfallsack durchschnittlich 100 Gramm Metall: Löffel, Münzen, Drähte, Verpackungen, Batterien und sogar Pfannen werden unsachgemäss auf diese Weise entsorgt. Damit das Metall nicht ungenutzt in der Deponie landet, muss es vorher aussortiert werden: «Metall gehört zurück in den Kreislauf», betonte Regierungsrat Isaac Reber an einer Medienkonferenz in der Deponie Elbisgraben bei Arisdorf.
Dort ist seit September 2019 die modernste Metallrückgewinnungsanlage der Schweiz in Betrieb. Nach zwei Jahren kann nun das Amt für Industrielle Betriebe (AIB) mit gesicherten Erfahrungswerten aufwarten, und die sehen sehr positiv aus: Der gesetzliche Maximalwert von einem Prozent Metall im Deponiegut wird weit unterschritten. Durchschnittlich 0,13 Prozent verbleiben noch in der Schlacke, Tendenz sinkend. Inzwischen ist das «Modell Elbisgraben» bereits in Buchs SG kopiert worden. Rainer Bunge vom Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik an der Ostschweizer Fachhochschule, der das Baselbieter Projekt evaluiert hat, geht davon aus, dass zukünftig weitere Anlagen im In- und Ausland auf dieser Grundlage gebaut werden.
Schlacke wird zerkleinert
Die Siedlungsabfälle, die in der Region anfallen, werden zentral in der Kehrichtverbrennungsanlage Basel verbrannt und zur Wärme- und Stromgewinnung genutzt. Wiegt ein 35-Kilo-Sack rund fünf Kilo, dann bleibt davon ein Kilo Schlacke übrig, das schliesslich mit dem Lastwagen nach Arisdorf gelangt. 10,5 Prozent des Gewichts, also rund 100 Gramm, bestehen aus Metall.
Bisher verwendete die Deponie Elbisgraben mobile Anlagen von externen Anbietern, um Edelstahl und Nichteisenmetall herauszufiltern. Nachdem die Gesetzgebung 2015 verschärft wurde, beschloss das AIB, eine eigene Rückgewinnungsanlage zu erstellen. Diese steht nun auf einer Fläche von 57 mal 75 Metern und besteht aus Zerkleinerern, ähnlich wie auf einem Steinbruch, und Sortiermechanismen. Die einzelnen Teile sind durch ein System von Förderbändern miteinander verbunden.
Das Erfolgsrezept der Arisdörfer Anlage ist die starke Zerkleinerung der Schlacke. Gleicht diese anfangs einem grobkörnigen Kies, ist am Schluss nur noch ein feiner Sand übrig – der übrigens viel stärker verdichtet werden kann und somit weniger Volumen in der Deponie einnimmt. Und je stärker die Schlackekörner aufgebrochen werden, desto feinere Metallteile werden freigelegt. Mit der neuen Anlage wird eine Korngrösse von fünf Millimeter erreicht, bisher waren zwölf möglich.
Nun müssen aber die einzelnen Metallarten separat herausgefiltert werden. Dazu setzt die Anlage nicht etwa auf teure Sensortechnik, sondern löst diese Aufgabe auf rein verfahrenstechnischem Weg, wie Rainer Bunge erklärte. Relativ einfach ist es beim Eisen, das zwei Drittel der Menge ausmacht und mit Magneten aussortiert werden kann. Auch Handsortierung, Siebe und Gebläse, sogenannte Windsichter, kommen zum Einsatz.
Ein Drittel der Metalle sind Nichteisenmetalle wie Aluminium, Kupfer, Edelstahl und in geringen Mengen auch Silber und Gold. Nichtmagnetische Metalle können mit Wirbelstromscheidern von der Schlacke getrennt werden. Dabei wird diese durch ein Magnetfeld geführt, wodurch die Metallteile elektromagnetisch aufgeladen werden. Am Ende des Förderbandes fliegen die aufgeladenen Teile in hohem Bogen davon und können aufgefangen werden, während die restliche Schlacke direkt nach unten fällt.
Nur bei Edelmetallen wie Chrom funktioniert diese Methode nicht. In der neuen Anlage wird das Problem so gelöst, dass sich das Edelmetall im Kreislauf der Anlage anreichert und auf diese Weise entnommen werden kann.
Urban Mining
Metall aus Abfall zu gewinnen, nennt sich «Urban Mining», also «urbaner Bergbau». Im Gegensatz zum Rohstoffabbau in Minen, der mit hohen Umwelt- und sozialen Kosten einhergeht, ist Metallrückgewinnung umweltfreundlich. Auch finanziell lohnt es sich: Eine Tonne Nichteisenmetall kann, bei stark schwankenden Marktpreisen, für 700 bis 1000 Euro verkauft werden. Bei einer Jahresmenge von 4000 Tonnen Metall lässt sich ein beträchtlicher Ertrag erzielen. Betriebsleiter Heinz Schaub relativiert jedoch: «Unter dem Strich sind wir im ersten Jahr eben herausgekommen, da der Verschleiss sehr hoch ist.» Es hätten bereits Förderbänder ersetzt werden müssen, die bei anderen Anwendungen länger gehalten hätten.
Die Investitionskosten für die Anlage betrugen gemäss einer Landratsvorlage von 2017 5,2 Millionen Franken. Konstruiert wurde sie von einem holländischen Unternehmen – unter Einbezug von Oberbaselbieter Know-how: Als Ingenieurbüro beauftragte das AIB die Gelterkinder Firma Bitterli+Partner. Und nicht zu vergessen: die langjährige Erfahrung von Heinz Schaub, wie AIB-Leiter Pascal Hubmann anmerkte.
In nächster Zukunft sind weitere Ausbauschritte geplant, unter anderem eine Sortierung für Batterien. Wenn der Zugangstunnel zur Deponie saniert wird, soll zudem eine stärkere Netzstromleitung gelegt werden, damit der Dieselgenerator, der heute noch nötig ist, abgeschaltet werden kann.
Insgesamt ist Heinz Schaub sehr zufrieden mit der neuen Anlage und ihrem hohen Wirkungsgrad von 0,1 Prozent: «Dass es so herauskommt, hätten wir uns nicht erträumt.»
Auch Rainer Bunge ist überzeugt: «Wir haben einen Technologiesprung hingelegt.» Die Metallrückgewinnung leiste einen grossen Beitrag zur Umweltbilanz des Kantons, was bisher noch nicht hinreichend öffentlich gewürdigt worden sei.