Lebendiger Feuerbrauch
Liestal Historisches und Aktuelles zum «Chienbäse» am Vortrag im DISTL
Der «Chienbäse» ist ein erstaunlich junger Brauch, wie Stefan Hess, Leiter des «Dichter:innen- und Stadtmuseums Liestal» (DISTL), einleitend feststellte. In seiner jetzigen Form ist er nämlich genau ein Jahrhundert alt. Sein Ursprung reicht aber weit in die Vergangenheit zurück. «Früher wurden auf den Anhöhen Feuer entfacht, um den Winter zu vertreiben, dabei wurden auch Fackeln angezündet und ins Tal getragen», erklärte Hanspeter Meyer. Der Lokalhistoriker, Stadtführer und Autor hatte unter dem Titel «100 Johr Chienbäse-Umzug in neuerer Form» zu einem zweiteiligen Anlass eingeladen: Während es im ersten Teil um die historischen Hintergründe ging, stand im zweiten Teil der Präsident des Chienbäse-Vereins, Werner Fischer, Rede und Antwort.
Ein Fasnachtsfeuer ist in Liestal erstmals 1779 erwähnt und in einem Erlass von 1808 ermahnte die Obrigkeit die Landschäftler, von einer mutwilligen Verschwendung von Feuerholz abzusehen. Kienfackeln wurden von der Weissen Fluh und von der Burg hinunter getragen, wobei gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend Pechfackeln zum Einsatz kamen, die ausserhalb der Stadt gelöschte werden mussten. Daneben waren auch Papierlaternen beliebt. Einem Inserat von 1905 ist zu entnehmen, dass damals ein Fackelumzug bei der Weissen Fluh und ein Laternenumzug beim Oberen Gestadeck begannen. «Ab wann man sich auf die Burgroute einigte, konnte ich nicht feststellen», berichtete Hanspeter Meyer, aber irgendwann sei die Weisse-Fluh-Route nicht mehr benutzt worden.
1924 kam dann die grosse Wende. Bäckermeister Eugen Stutz hatte die Idee, «wie die Grossväter» wieder Kienfackeln zu basteln, was im Hinterhof seiner Bäckerei (Kanonengasse beziehungsweise Bücheli) geschah. «Die neue Form der Chienbäse-Umzüge wurde immer beliebter und von Jahr zu Jahr stieg die Beteiligung», fuhr Hanspeter Meyer fort. Später gab dann der Gemeinderat grünes Licht, dass die Bürgergemeinde das Holz zur Verfügung stellen kann. Eine der vielen Anekdoten, die Hanspeter Meyer teilte, war diejenige, die davon handelt, dass Eugen Stutz die mit feuchtem Holz gebauten Chienbäse im Heizraum trocknen wollte und am nächsten Morgen nur noch Asche vorfand. «Zum Glück hatten sie Ersatzbesen», stellte Hanspeter Meyer fest.
Von 50 auf heute 370 Chienbesen
Später kamen Feuerwagen dazu. Die Idee war, die beim Chienbesen-Bau anfallenden Holzsplitter auf Eisenkörbe zu laden und anzuzünden. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm der Chienbäse an Fahrt auf und wuchs über die Jahrzehnte stark an: von 50 Besen und zwei Feuerwagen in den 1950er-Jahren zu heute über 370 Chienbesen und fünf grossen sowie zwölf kleinen Feuerwagen. Hundert Kubikmeter Holz werden jeweils verbrannt. «Mit dem Erlass von 1808 hatten sie nicht ganz Unrecht», meinte Meyer, «aber es ist halt eine Tradition.»
Im zweiten Teil wurden – nebst allerlei aktuellen Details – zwei Themen heiss diskutiert: die Sicherheit und der Chienbäse als «Exportprodukt». Werner Fischer ist seit 1991 aktiv dabei, hat alles Handwerkliche rund um den Chienbäse-Brauch selber von Grund auf erlernen müssen und blieb auch vor Brandwunden auf dem Rücken nicht verschont: «Man ist voll Adrenalin, man merkt gar nicht, dass es Löcher durch die Kleider gebrannt hat, erst am nächsten Morgen unter der Dusche.» Davon abgesehen sei aber noch nie «etwas passiert», denn mit den vielen Vorschriften, der stark involvierten Feuerwehr und dem langjährigen Wissen der Beteiligten werde der Sicherheit Rechnung getragen.
Kontroverser ist das Thema, ob es sinnvoll ist, mit dem Chienbäse andere Orte zu besuchen, wie 1964 die Expo in Lausanne oder 2019 die «Fête des Vignerons» in Vevey. «Dezent eingesetzt» sieht Werner Fischer kein Problem darin. Allerdings ist der Aufwand gross und nicht jede Anfragenden sind sich bewusst, was an Arbeit auf sie zukommt. Mehr als einmal musste eine Route geändert werden, damit keine Bäume oder Girlanden abgefackelt werden.
Ein Fazit am Schluss lautete: «Auch im digitalen 21. Jahrhundert behält das Feuer seine Faszination.»