Imago – Versuch einer Annäherung
Liestal Die Kunsthalle Palazzo widmet Carl Spitteler eine grosse Ausstellung
Die Ausstellungsmacher Massimiliano Madonna und Konrad Tobler machen es einem in der Ausstellung «Imago» zu Ehren von Carl Spitteler, Literaturnobelpreisträger 1919, in der Kunsthalle Palazzo nicht leicht. Sowohl die Ausstellung als auch der begleitende Katalog spiegeln aber die Mühe der beiden wider, die sie selbst mit Spitteler und seinem Werk hatten. Wie stellt man einen Schriftsteller aus, einen Literaten, der von sich selbst sagt, er hätte von bildender Kunst keine Ahnung. Welche Bilder wählt man?
Die beiden Aussteller nahmen ein Werk des Liestalers zum Ausgang: Imago. Das Wort bedeutet einfach Bild und mit Bildern bebildern sie Werk und Mensch. Der Untertitel der Ausstellung heisst Geschichtsbilder, Frauenbilder, Spiegelbilder. Damit versuchen sie einen roten Faden zu geben, der durch die Ausstellung führen soll.
Geschichtsbilder: Jede Lebenszeit wird automatisch auch Geschichte. Spitteler wird in eine Zeit hinein geboren, die am Schluss mit der Katastrophe des Ersten Weltkriegs das Ende des Feudalismus sieht, aber auch das Erwachen der Arbeiterschaft. Die Umwälzungen dieser Zeit sind fast mit der unsrigen vergleichbar. Es bleibt im wahrsten Sinne des Wortes kein Stein auf dem anderen. Die Wissenschaft entdeckt die Tiefenpsychologie, die Relativitätstheorie bahnt sich an, die Philosophie stellt alles Bisherige infrage und die Medizin macht Fortschritt um Fortschritt. Die Ausstellung versucht alle diese Strömungen und Ereignisse mit Bildern aus der Zeit einzufangen. Die Vorkriegszeit wurde als eine Endzeit gesehen, das Alte wehrte sich mit Händen und Füssen, das Neue setzte sich immer vehementer durch. Dem drohenden Untergang setzt Spitteler die veraltete Sprache des Epos gegenüber, die zu dieser Zeit selbst im Theater nur noch wenig Verwendung findet.
Frauenbilder: In diesem Teil stecken eigentlich zwei: zum einen der Männerblick auf die Frau der Jahrhundertwende, der von der Dualität Madonna/Hure lebt, zum anderen eine Sammlung heutiger Frauenbilder von über 30 Künstlerinnen und Künstler. Letztere sind eher Auseinandersetzungen mit dem heutigen Frauenbild als mit demjenigen der Gründerzeit.
Spiegelbilder: In ihnen soll sich die Wirkung von Spittelers Werk auf heutige Künstler und Künstlerinnen spiegeln. Dies nachzuvollziehen, fällt aber schwer. Die Aussteller gehen davon aus, dass Spittelers Epen unvergleichlich und uneinholbar sind, und deswegen die Menschen immer wieder anlocken, sich mit ihnen zu befassen. Dies gelte auch für die ausgestellten Spiegelbilder. Für sich selbst hat jede Künstlerin, jeder Künstler versucht, sich Spitteler anzueignen. Ob es ihnen gelungen ist, kann der Betrachter nicht feststellen, nur ihre Arbeit und Auseinandersetzung mit ihm spüren.
Und so geht es dem Publikum mit der Ausstellung: Es steht vor einem Konvolut von Bildern, die alle versuchen, einen Zugang zu Spitteler zu weisen. Selbst der Katalog ist solch eine allmähliche Annäherung – in Broschur gehalten, müssen seine Bünde erst aufgeschnitten werden. Die Unterschriften zu den Bildern sind zudem separat aufgeführt. Und so «blättert» man sich durch die Ausstellung. Dies kann helfen, die Epen des Liestalers zu verstehen, es verlangt aber Ausdauer und viel Zeit – und man kommt nicht um das Lesen von Spitteler selbst herum.