Blindenhunde zogen das Publikum in den Bann
Liestal Tag der offenen Tür der Blindenhundeschule VBM Liestal
Heiss war’s letzten Samstag am «Tag der offenen Tür» der Blindenhundeschule VBM Liestal. Dennoch liessen die hohen Temperaturen das in Scharen aufmarschierte Publikum nicht von ihrem Besuch abhalten. Es gab viel Spannendes zu sehen und zu erfahren. Vorführungen, Kinderschminken, Livemusik, feine Verpflegung und vieles mehr. 40 freiwillige Helferinnen und Helfer waren im Einsatz und sorgten für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung. Ausserdem wurden sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schule bei der Begrüssung durch Geschäftsführer Peter Kaufmann vorgestellt.
Derweil erste Besucher mit geschlossenen Augen, Dunkelbrille, Blindenstock in der Hand und einer Begleitperson auf einer geplanten Wegstrecke entlang der Bodenmarkierung einen Fuss vor den anderen setzten und ihre Erfahrung als «sehbehindert» machten, interessierten sich weitere Gäste für die Vorführung «Unsere Hunde helfen».
Blindenhunde verschiedener Rassen wurden mit geschulten Instruktor/-innen durch den spezifisch ausgelegten Parcours geführt. Dabei wurde aufgezeigt, auf welche Hindernisse und Gefahren ein Blindenhund stossen kann, wie er diese erkennen und umgehen kann (Treppen, Türen, Bordsteinkanten, Strassenschilder, Schranken etc.) Auch wurde demonstriert, wie der Blindenführhund seinem Halter einen freien Sitzplatz, im Bus, im Tram oder im Zug findet. Schliesslich muss der fertig ausgebildete Führerhund den Blinden eine gefahrlose Orientierung gewährleisten.
Bis der Vierbeiner soweit ist, benötigt er eine spezielle Ausbildung. Diese verläuft in vier intensiven Phasen. Kaufmann erklärt: «Nicht jeder Hund eignet sich dafür.» Folgende Eigenschaften und Voraussetzung sind essenziell: ein wesensfester, friedlicher Charakter (der Hund muss in stressigen Situationen, etwa im unübersichtlichen Strassenverkehr oder in Menschenmassen, stets den Überblick behalten und die Sicherheit seiner Bezugspersonen garantieren), zudem dürfen weder körperliche Beeinträchtigungen noch Gelenkprobleme vorhanden sein.
Der Hund muss aus einer seriösen Zucht stammen. Der VBM hat keine eigene Zucht, jedoch ein gutes Netzwerk von Hundezüchtern. Die Führhundeschule, so ist zu erfahren, kauft jeweils Welpen im Alter von sieben Wochen. Diese müssen sich einem Wesens- und Gesundheitstest unterziehen. Besteht der Welpe diesen, kommt er für ein Jahr in eine Patenfamilie, in der auch die Sozialisierung stattfindet. Der zukünftige Blindenführhund erlernt mit alltäglichen Situationen umzugehen. Verhält sich ein Hund ängstlich, gereizt, unruhig oder sogar aggressiv, endet seine Ausbildung vorzeitig. Lässt sich ein Blindenführhund nämlich leicht ablenken, etwa von Strassenlärm oder anderen Hunden im Park, kann das für blinde oder sehbehinderte Hundehalter/-innen schnell gefährlich werden.
Nach der Sozialisierungsphase nach einem Jahr ist der Hund bereit für das sechs- bis achtmonatige Training in der VBM-Schule. Dafür stellt der Verein Blindenführhundetrainer/-innen. In dieser Zeit absolviert der zukünftige Blindenhund die Begleithundeprüfung. Zudem lernen die Tiere, wie sie im Führgeschirr gehen müssen.
Nach erfolgreichem Training in der Blindenführhundeschule lernen sich der Blindenhund und sein zukünftiger Hundehalter kennen. Sie werden zu einem Gespann. Sie trainieren in der Ausbildungsstätte Liestal mit Instruktor/-innen. Anschliessend verlagert sich das Training in die Wohngegend der sehbehinderten Person.
Anja Fink, Blindenführhundeinstruktorin in Ausbildung, erklärte: «Die Gespannprüfung (sie wird gemeinsam sowohl vom Blindenführerhund und dem Halter absolviert) ist der Abschluss der Ausbildung. In dieser Prüfung sollen Hund und Mensch zeigen, dass sie zusammen funktionieren. Vor der Prüfung begleite ich das Gespann und kann Tipps geben oder meine Hilfe anbieten. Manchmal reise ich bis nach St. Gallen».
Auf die Frage, was ihr am Beruf der Instruktorin gefalle, meinte sie: «Die Freude an der Arbeit mit Menschen und Tieren. Bigna, ein Grosshundpudel ist der achte Hund, den ich ausbilden darf».
Beeindruckend ist die Erfahrung des sehbehinderten Renato Alfieri. Er lobt, wie ihm die kostenlose App «Seeing Al» seines iPhones im Alltag hilft. Er leidet unter Retinitis pigmentosa – eine Erbkrankheit. Seit der Nutzung dieser App öffne sich für ihn die visuelle Welt, indem sie Menschen, Texte und Objekte in seiner Nähe beschreibe.
Rundum war’s ein gelungener und für jedermann äusserst aufschlussreicher und interessanter Tag, der selbst einem nicht hundertprozentig hundeaffinen Publikum auch viele allgemeine praktische und psychologische Aspekte nähergebracht hat. Der zweifelsohne grosse Aufwand wurde durch den ausserordentlich herzlichen Aufwand der Organisatoren und deren Helfer mit Bravour getragen.