Bei Brand werden aus zwei Spuren drei
Frenkendorf Erneuerung der Rheinstrasse soll Vorteile für Verkehrsteilnehmende und Anwohnende bringen
Für die einen ist es eine «Lebensader», andere beklagen sich seit Jahrzehnten über die vielen Autos. «Da geht einem entweder das Herz auf oder man macht die Faust im Sack», meinte der Frenkendörfer Gemeindepräsident Roger Gradl letzte Woche am Infoabend im «Wilden Mann» in Frenkendorf. Oder wie ein Besucher am Schluss dazwischen rief: «Die Rheinstrasse ist ein Teil meines Lebens, dieser ganze Verkehr ...»
Bei allen Emotionen, die hier im Spiel sind – inhaltlich war der Infoanlass zum Start der Mitwirkung gar nicht so kontrovers, im Gegenteil. «Wir haben jetzt wirklich ein gutes Projekt», betonte Christoph Keigel, Gemeindepräsident von Füllinsdorf und Besitzer eines Unternehmens an der Rheinstrasse. Die alte «Leidensgeschichte» will er hinter sich lassen.
Als im Dezember 2013 die Umfahrung A22 Pratteln-Liestal eröffnet wurde, reduzierte sich der Verkehr auf der Rheinstrasse drastisch. Mit der Volksabstimmung war auch die Erneuerung und ein Teil-Rückbau der Rheinstrasse beschlossen worden, auch im Hinblick auf ökologische Ziele, allerdings folgte ein jahrelanger politischer Streit. 2018 genehmigte der Landrat schliesslich den Kredit (teuerungsbereinigt 5,55 Millionen Franken).
Jetzt präsentiert der Kanton den Entwurf des Bauprojekts. Dieses sieht zwei Spuren (Tempo 50) sowie eine Mehrzweck-Mittelspur vor, der im Fall einer längeren A22-Tunnelsperrung als dritte Fahrspur geöffnet werden und den Mehrverkehr aufnehmen könnte. Zu diesem Konzept hatte die Stimmbevölkerung 2016 ihre grundsätzliche Zustimmung gegeben.
Dieser Ereignisfall dürfte äusserst selten eintreten. Berechnungen gehen davon aus, dass sich höchstens alle 40 Jahre ein Brand oder eine Explosion in einer der beiden Tunnelröhren ereignet, die so schwerwiegend sind, dass die Bauarbeiten länger als zwei Wochen dauert. Bei kürzeren Sperrungen würde sich die Umstellung nicht lohnen, die Mittelspur bliebe dann als Fahrspur geschlossen.
Im Normalbetrieb erfüllt sie jedoch eine wichtige Funktion: Sie erleichtert sowohl Autos als auch Velos, einfacher ein- und abzubiegen und auf die angrenzenden Grundstücke zu gelangen.
Ausserdem werden neue Fussgängerstreifen erstellt sowie weitere Mittelinseln, wie es sie heute schon gibt, die das Überqueren der Strasse erleichtern. Diese Inseln müssten, falls der Mittelstreifen geöffnet würde, abgefräst werden.
Beim Halbanschluss Frenkendorf/Füllinsdorf Nord wird zudem eine sogenannte «Bedarfseinfahrt» gebaut: ein kurzes Strassenstück, das nötig ist, um im Ereignisfall die Dreispurigkeit auf der Strecke zwischen Kittler und Hülften zu garantieren. Im Normalbetrieb bleibt sie geschlossen und ohne Strassenbelag.
Innert sieben Tagen nach einem Ereignis könnte so die Dreispurigkeit zwischen Liestal und Pratteln wieder hergestellt werden.
190 Bäume und Velostreifen auf Teilstrecken
Zurück zu den Vorteilen des Erneuerungsprojekts im Normalbetrieb: Die Bushaltestellen werden behindertengerecht ausgebaut und erhalten ein Wartehäuschen (im selben Stil wie dasjenige beim Kantonsspital), es werden Rabatten und 190 Bäume gepflanzt und einige Verbesserungen für den Verkehrsfluss angebracht. Die Bushaltestellen werden teilweise so eingerichtet, dass kein Überholen möglich ist, damit der Bus seine Anschlüsse besser erreicht. Velostreifen werden überall dort eingerichtet, wo genug Platz vorhanden ist. Ein durchgehender Radstreifen sei leider nicht möglich, erklärte Projektleiter Micha Kolman, aber mit dem Radweg über dem Schönthaltunnel und weiteren Wegen gebe es genügend Velo-Längsverbindungen.
Regierungsrat Isaac Reber hob sowohl die Funktionalität, als auch die gestalterische Qualität des Bauprojekts vor. Es komme so daher, «dass man etwas Gutes, etwas Tolles daraus macht». Wichtig sei, dass sich die Leute so bewegen könnten, «wie sie es brauchen», das heisse, es brauche Mobilität, aber auch einen leistungsfähigen ÖV. Letztlich sei die Rheinstrasse nicht nur die Trennlinie zwischen Frenkendorf und Füllinsdorf, sondern verbinde die beiden Gemeinden auch.
Im Diskussionsteil ging es um Detailfragen wie die Gestaltung der Bushäuschen, Lärmschutzwände bei der Bedarfseinfahrt. Viele Anwesenden wünschten sich, dass die Haltestelle beim Seniorenzentrum Schönthal schon jetzt umgestaltet wird. Das sei bautechnisch und rechtlich – Landerwerb, Einsprachen – leider nicht möglich, lautete die Antwort. Weitere Voten waren eher genereller Natur, etwa zu Kosten, allfälligen Planungsfehlern oder Umwelt. Baubeginn ist frühestens 2027, die Mitwirkung dauert bis zum 27. September 2024.
Weitere Infos: www.bl.ch/rheinstrasse