Der grosse Rausch in den Ohren
Gelterkinden Der Männerchor «Männerstimmen» konzertierte in der kath. Kirche
Rausch ist in unserer Kultur ein nicht geringer Antrieb. Immer wieder taucht er auf, sei es durch Substanzen bewirkt, sei es durch Meditation oder auch durch Gesang. Der Basler Männerchor «Männerstimmen» unter Leitung von David Rossel sang in der Gelterkinder katholischen Kirche sein neues Chorprogramm – und wie. Zum immer noch jungen Chor gehört das spezielle Outfit, die Knickerbocker-Hosen samt Hosenträger, und das lockere Auftreten. Dass dieser Chor, der international zu den besten seiner Art gehört, aber ganz anders als leger ist, zeigt sich durch seine hohe Gesangskunst und -kultur. Den Chor begleitete ein Erzähler (der Schauspieler und Musiker Jonathan Bötticher), der mit seinen Einwürfen das Programm kommentierte und zusammenhielt.
Der Rausch begann mit einem estnischen Weihnachtslied. Es zeigt, dass Weihnachten auch ausgelassen und berauschend gefeiert werden kann. Beim «Chanson à boire» von Francis Poulenc wurde am Schluss des Liedes dann die Auswirkungen von Rausch, Taumel und Kopfweh, angedeutet. Das Zuviel gehörte auch zum Auftragswerk «Diluvium» von Ivo Antognini, das die Überschwemmung von Basel im Jahre 1480 thematisierte.
In Paul Hindemiths «The Demon oft the Gibbet» drang das Unheimliche durch, in der Art des Goethe’schen «Erlkönigs». Langsam beruhigte sich die Stimmung wieder mit der wunderschön gesungenen «Nacht» aus Hans Hubers «Vier Rheinlieder».
Ein weiteres Auftragswerk des Chors ging an den amerikanischen Komponisten Eric Whitacre. Der Chor sang «Time ist a River» im Konzert a cappella. Das baskische «Maitia» von Iker Gonzalez Cobeaga führte zum zentralen «Molten Blue», ebenfalls einem Auftragswerk an Julia Schwartz, das drei unterschiedliche Gedichte über verschiedene Aspekte des Rausches vertont. Auch bei den nachfolgenden kürzeren Liedern ging es ums Thema Trinken. Das Konzert endete vorerst mit dem bekannten «Quattro cavai che trottano». Es folgten noch drei enthusiastisch vom Publikum geforderte Zugaben, wovon das schottische «Auld Lang Syne» das Konzert etwas melancholisch beschloss.
Nun, wie beschreiben, was gehört werden muss? Der Chor erklang auch unter der neuen Leitung mit grosser Klasse. Kein Musikstück glich dem anderen. Jedem wurde die ihm eigene Interpretation gegeben und immer auswendig gesungen. Nie zeigte der Chor Schwächen, Intonation und Musikalität bewegten die Zuhörerinnen und Zuhörer immer wieder bis ins Innerste. Im Zentrum des Konzertes fanden sich die Auftragswerke, alle drei wunderbar gestaltet und vorgetragen. Natürlich ist das süffige «Time is a River» von Whitacre auch mit einem kleinen Augenzwinkern vorgetragen worden. Seine Musik geht ins Ohr und in die Seele, fast wie ein Popsong. Etwas härtere Kost war die Uraufführung von «Molten Blue». Die drei Gedichte zogen sich etwas in die Länge, was ein einziges Mal etwas anstrengte.
Doch die mit grossem Hall gesegnete Kirche war der richtige Aufführungsort und spielte eine wichtige Rolle für diesen ausserordentlichen Männerchorabend – ein ergreifendes Erlebnis.