Polizei will die Sicherheit im Baselbiet hochhalten

Jahres-Interview Der Baselbieter Polizeikommandant Mark Burkhard mit einer aktuellen Beurteilung der Sicherheitslage in unserem Kanton  

«Die Polizei muss auf der Strasse spürbar sein.» Fotos: Polizei BL

«Die Polizei muss auf der Strasse spürbar sein.» Fotos: Polizei BL

Polizeikommandant Mark Burkhard.

Polizeikommandant Mark Burkhard.

Die Sicherheit stellt ein zentrales Bedürfnis eines jedes einzelnen Menschen dar. Neben der individuellen Eigenverantwortung ist dafür die jeweilige Kantonspolizei für die Einhaltung der Gesetze in den verschiedensten Lebensbereichen verantwortlich. Im nachfolgenden Jahres-Interview äussert sich der Baselbieter Polizeikommandant Mark Burkhard (60) ausführlich zur aktuellen Lage und zur Situation der Polizei in unserem Kanton.

ObZ: Herr Burkhard, was sind, aus Ihrer Optik als Baselbieter Polizeikommandant, die drei wichtigsten Punkte/Themen mit Blick auf das Jahr 2024?

Mark Burkhard: Wir hatten im Jahr 2023 auf dem ganzen Kantonsgebiet eine starke Zunahme bei den Diebstählen ab/aus Fahrzeugen. Diese Fallzahlen sind im aktuellen Jahr rückläufig. Gleichzeitig nimmt allerdings die Zahl der Einschleichdiebstähle zu. Wir gehen deshalb davon aus, dass ein Teil dieser Delikte durch die gleiche Tätergruppe, die bisher für die Zunahme der Diebstähle an/aus Fahrzeugen verantwortlich war, begangen wird.

Zudem sind auch die Delikte im Cyberbereich im 2024 weiterhin sehr hoch und die komplexe respektive aufwendige Abarbeitung fordert unsere Mitarbeitenden tagtäglich. Hier sind wir daran, die Prozesse zu optimieren, damit wir unsere Mitarbeitenden an der Front entlasten können.

Täuscht der Eindruck oder ist das Baselbiet 2024 ganz generell unsicherer geworden?

Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik werden erst Ende März veröffentlicht. Aber wir stellen schon auch fest, dass gewisse Delikte zugenommen haben. Von einer generell steigenden Unsicherheit würde ich aber nicht sprechen.

In den letzten Monaten las und hörte man fast täglich von Autoaufbrüchen etc. und angehaltenen mutmasslichen Tätern. Stimmt es, dass diese oft wenige Tage später wieder unterwegs waren – und wieder erwischt wurden ...?

Wie bereits gesagt, sind die Zahlen der Diebstähle ab/aus Fahrzeugen im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2023 rückläufig. Aufgrund der Tatsache, dass es geringfügige Delikte sind, müssen die beschuldigten Personen rasch wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen werden.

Ist dies für Ihre Mitarbeitenden nicht ungemein frustrierend?

Die Polizei hat die Aufgabe, solche Straftaten zu verhindern oder so gering wie möglich zu halten. Gerade bei solchen «Massendelikten» ist eine starke Polizeipräsenz auf der Strasse und im öffentlichen Raum zentral. Dies wird aber wegen der angespannten personellen Lage immer schwieriger.

Wenn Sie eine 16-jährige Tochter hätten, welche am Wochenende regelmässig in den Ausgang geht, hätten Sie da als Vater ein gutes, ruhiges Gefühl?

Wir müssen das in der richtigen Relation sehen. Das Baselbiet ist nach wie vor einer der sichersten Kantone der Schweiz.

Beschäftigt das Thema der anhaltend starken Zuwanderung den Baselbieter Polizeikommandanten?

Es gibt einzelne Deliktsbereiche, in denen aktuell deliktische Asylsuchende aus Nordafrika als Tätergruppe übervertreten sind.

Dies trifft zum Beispiel auf Diebstähle ab respektive aus Fahrzeugen zu. Zudem ist in der Tendenz auch feststellbar, dass diese Tätergruppe vermehrt im Bereich der Einschleichdiebstähle aktiv ist.

Sprechen wir über die Polizei BL. Wie geht es Ihrem Korps generell?

Wir haben ein gutes und sehr leistungsfähiges Korps. Tatsache ist aber, dass wir für die vielen Herausforderungen nur sehr beschränkte Mittel zur Verfügung haben. Deshalb haben wir auch den Sicherheitsbericht mit zusätzlich über 100 Stellen erstellt, der vom Landrat einstimmig zur Kenntnis genommen wurde.

Welches sind für die Polizei BL aktuell die grössten Herausforderungen?

Die grösste Herausforderung ist, dass wir mit den vorhandenen Mitteln der Kriminalitätsentwicklung immer einen Schritt hinterherhinken.

So sind wir im Moment daran, unsere Kapazitäten zur Bekämpfung der Strukturkriminalität im Baselbiet wieder aufzubauen, nachdem sie vor Jahren einem Sparprogramm zum Opfer gefallen sind.

Im Oberbaselbiet gibt es kaum noch Polizeiposten, das ist für das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nicht wirklich förderlich. Die Leute fühlen sich zunehmend unsicherer ...

Wie jemand mal feststellte, wurde noch nie ein Einbrecher auf einem Polizeiposten verhaftet. Wir legen grossen Wert darauf, dass unsere Mittel bzw. die Polizeipräsenz auf der Strasse spürbar sind.

In Basel-Stadt «jammert» die Polizei seit Jahren, dass angeblich viele Polizisten/Polizisten ins Baselbiet wechseln, angeblich primär deshalb, weil BL besser bezahlt. Was sagen Sie dazu?

Ich glaube nicht, dass der Lohn eine primäre Motivation ist, eine Stelle zu wechseln.

Dafür verdient das Polizeikader in BS deutlich mehr als in BL. Stört Sie das?

Ja, das ist in der Tat eine unbefriedigende Situation. Deshalb haben wir einen Lohnvergleich mit anderen Polizeikorps in Auftrag gegeben, um dies belegen zu können.

Stichwort digitale Ermittlung: macht es noch Sinn, dass da jeder Kanton für sich selbst aktiv ist? Oder wäre es hier nicht an der Zeit, grösser zu denken?

Das sind in der Tat Überlegungen, die wir derzeit anstellen. Es gibt bereits Bestrebungen zur Zusammenarbeit, z.B. im Bereich der digitalen Kriminalität.

Thema Verkehr: Täuscht meine Wahrnehmung oder geht es auf den Baselbieter Strassen im Vergleich zu früheren Jahren «gesitterter» zu? Und falls ja: ist dies vor allem auf die hohe Verkehrsdichte zurückzuführen?

Inwieweit die Verkehrsdichte eine Rolle spielt, kann ich nicht sagen, da wir darüber keine Statistik führen. Was eher dagegen spricht, ist die Zahl der Schwerverletzten und Getöteten, die in den letzten Jahren leider wieder zugenommen hat. Auch die Zahl der Fahrzeuge, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprachen, war im letzten Jahr so hoch wie noch nie.

Wohin zeigt der Weg der Baselbieter Polizei im neuen Jahr? Wo sehen Sie die Schwerpunkte?

Wir wollen die gerichtspolizeilichen Prozesse effizienter gestalten und weitere Massnahmen zur Entlastung unserer operativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter definieren und umsetzen. Ein Schwerpunkt wird sicher auch der Eurovision Song Contest im Mai sein.

Apropos ESC: Finden Sie es richtig, dass BS die Einsätze der Polizei BL im Rahmen des ESC nicht abgelten muss, andere Kantonspolizeien, welche allenfalls zugezogen werden müssen, jedoch entschädigt werden?

Der Grossanlass findet in der St. Jakobhalle auf Baselbieter Boden statt, also haben wir auch eine Aufgabe. Wir stellen nur unsere Arbeitsstunden nicht in Rechnung, die sowieso anfallen würden. Alle anderen Kosten trägt Basel-Stadt.

Einerseits heisst es fast mantramässig, die Polizei habe zu wenig Personal und könne deshalb nicht mehr alle Bedürfnisse abdecken, andererseits werden für hochkommerzielle Anlässe wie den ESC kostenlos enorme Personal-Ressourcen absorbiert. Also ein Widerspruch in sich ...

Wir können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, wie hoch der Aufwand sein wird.

Wenn Sie für die Baselbieter Polizei für das Jahr 2025 drei Wünsche offen hätten, wie würden diese aussehen?

Ich habe eigentlich nur einen Wunsch: dass der Sicherheitsbericht nun phasenweise umgesetzt werden kann, damit wir die Sicherheit im Baselbiet weiterhin hochhalten können.

Interview: Meinrad Stöcklin

Weitere Artikel zu «Oberbaselbiet», die sie interessieren könnten

Oberbaselbiet08.01.2025

«Meine Pflicht, diese Truppen zu dokumentieren»

Enormes Detailwissen Thomas Frauchiger hat in zwei Büchern die regionale Militärgeschichte erforscht 
Oberbaselbiet08.01.2025

Birmann-Stiftung übergibt Akten

Staatsarchiv Weiterer Baustein zur Aufarbeitung der Geschichte des Armen- und Fürsorgewesens  
Oberbaselbiet08.01.2025

Damit keine Stimmen ins Leere laufen

Pro-Komitee Das Baselbiet stimmt am 9.Februar übers Wahlrecht ab – Reform soll mehr Demokratie bringen