Damit keine Stimmen ins Leere laufen

Pro-Komitee Das Baselbiet stimmt am 9.Februar übers Wahlrecht ab – Reform soll mehr Demokratie bringen

Stephan Ackermann, Grüne; Sandra Strüby, SP; Werner Hotz, EVP; Simon Oberbeck, Die Mitte; Thomas Tribelhorn, Grünliberale Partei (v. l.). Foto: M. Schaffner

Bei kantonalen Wahlen im Baselbiet kommt es immer wieder zu willkürlich anmutenden «Sitzsprüngen» zwischen den Wahlkreisen. Wie etwa 2019, als eine EVP-Landrätin aus dem Wahlkreis Bubendorf ihren Sitz an ihre Parteikollegin im Wahlkreis Füllinsdorf abtreten musste, obwohl sie im direkten Vergleich fast 1000 Stimmen mehr erhalten hatte.

«Beim jetzigen Wahlrecht muss man fast ein Mathematikstudium haben, um die Verteilung der Restmandate zu verstehen», meinte Simon Oberbeck, Fraktionspräsident der Mitte, an der Medienkonferenz des Komitees «Ja zur Wahlrechtsreform» am Dienstag. Aufregung und Unverständnis in der Bevölkerung sind die Folge davon, wie EVP-Landrat Werner Hotz regelmässig alle vier Jahre beobachtet.

Im Oktober 2019 beauftragte das Kantonsparlament seine Geschäftsleitung damit, Alternativen zum heutigen Wahlsystem abzuklären. Unter Beizug eines Experten kam schliesslich ein Vorschlag für eine Teilrevision zustande, die der Landrat im Oktober 2024 mit 49 zu 37 Stimmen guthiess. In einem Monat, am 9. Februar 2025, kann nun die Baselbieter Bevölkerung über eine Wahlrechtsreform abstimmen.

Das Pro-Komitee, in dem die Mitte, die EVP, die Grünen, die Grünliberalen und die SP vertreten sind, verspricht sich davon «Mehr Demokratie fürs Baselbiet», in anderen Worten: eine fairere proportionale Abbildung der Parteistärken.

Die grösste Änderung ist, dass die bisherigen vier Wahlregionen abgeschafft werden sollen. Diese seien 1981, zusätzlich zu den zwölf Wahlkreisen, «künstlich kreiert» worden, sagte Werner Hotz, um einen Ausgleich zwischen vier etwa gleich grossen Wählersegmenten innerhalb des Kantons zu schaffen. Das entspreche aber nicht mehr dem «State of the Art».

Doppelproporz in anderen Kantonen erfolgreich angewendet

Neu soll im Kanton Baselland der sogenannte «Doppelproporz» eingeführt werden, wie er bereits in neun Kantonen erfolgreich angewendet wird. Während sich Proporz-Glück und -Pech nie ganz vermeiden lassen, weil die Anzahl Stimmen und zu verteilenden Sitze nie restlos aufgehen, so gilt doch: Je weniger oft bei der Verteilung der Restmandate gerundet werden muss, desto präziser wird das Verhalten der Wähler/-innen abgebildet und desto weniger Sitzverschiebungen gibt es. Beim Doppelproporz wird nur zwei Mal gerundet, einmal bei der Verteilung nach Parteistärke insgesamt und dann nach Wahlkreisen.

Laut Stephan Ackermann, Fraktionspräsident Grüne/EVP, wird an den Wahlkreisen festgehalten, damit die Kandidierenden den Bezug zur Bevölkerung nicht verlieren, also «ihre Leute kennen», und damit umgekehrt die Wählenden «wissen, wen sie nach Liestal schicken».

Sandra Strüby, Landrätin und Vizepräsidentin der SP, informierte über eine weitere Änderung, den Wegfall der «Sechs-Sitze-Garantie» für die einzelnen Wahlkreise. Neu wird nur noch ein Mandat pro Wahlkreis vorab garantiert. So steht die Anzahl Sitze besser im proportionalen Verhältnis zur Bevölkerung. Für Sandra Strüby bedeutet das nicht per se, dass ländliche Gebiete benachteiligt werden – künftiges Bevölkerungswachstum würde Sitzverluste ausgleichen.

Thomas Tribelhorn, Parteipräsident der GLP, ergänzte schliesslich, dass ein Quorum von fünf Prozent im Wahlkreis oder drei Prozent kantonal eingeführt werden soll. Damit soll Splittergruppen oder Juxgruppen der Weg ins Parlament erschwert werden.

Insgesamt wird die Reform aber eher den kleineren Parteien nützen, wie die Komiteemitglieder einräumten – weil sie nicht länger benachteiligt würden. Wesentlich sei aber der Gewinn an Fairness, Transparenz und Demokratie, wurde mehrfach betont. Die einzelne Stimme erhalte mehr Gewicht und die Wähler/-innen würden genauer repräsentiert, während Fälle minimiert würden, in denen überzählige Stimmen bei einem Sitzsprung gar nicht repräsentiert werden. «Damit die Stimme, die ich abgebe, zuverlässig der Person gegeben wird, die ich wähle und nicht irgendjemand anderem», wie es Simon Oberbeck auf den Punkt brachte.

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