Es fehlen sieben Meter
Vortrag Bohrung soll Stollen der «Wasserfallenbahn» erschliessen
Zusätzliche Stühle mussten herbeigeschafft werden, so gross war der Andrang am vergangenen Donnerstagabend im Bistrosi in Reigoldswil. Ausgelöst hatte das grosse Interesse der rund 50 Anwesenden der Grenchner Elias Vogt (28), der mit seinem Forschungsteam die Geschichte der Wasserfallenbahn vorstellte.
Baustelle brachte zuerst Leben, dann Elend
Vogt, ursprünglich Primarlehrer und heute Hotelier, kam durch das Buch «13 wahre Geschichten» von Alex Capus erstmals mit der Wasserfallenbahn in Berührung. Dort wird das Scheitern dieses Bahnprojektes zwischen Liestal und Oensingen in erzählerischer Form geschildert. Bis heute hält sich die Vermutung, die Schweizerische Centralbahn habe den Bau zwar begonnen, aber gar nie vollenden wollen, weil damit der Knotenpunkt Olten geschwächt worden wäre. Aber zunächst blühten die Dörfer auf, als der Bau im Herbst 1874 begann. In Reigoldswil gab es 13 Wirtschaften, in Mümliswil gar 26. Doch nach noch nicht einmal einem Jahr war die Baufirma finanziell am Ende. Die Arbeiter erhielten keine Löhne mehr und die Baustelle verwaiste von einem Tag auf den anderen. Der Aufschwung brach jäh ab. Während Reigoldswil einigermassen glimpflich davon kam, wurden Mümliswiler Familien zur Auswanderung gezwungen. Sie hatten in Erwartungen von grossen Gewinnen Bauten erstellt und Waren geliefert, die nie bezahlt wurden.
Spuren der Mineure und ihrer Behausungen fanden sich diesen Herbst im Bereich der Schächte, wie Rémy Suter, Leiter des Museums «Zum Feld» in Reigoldswil, berichtete. Unter anderem kamen ein Haken für einen Kübel, ein Türscharnier und, als besonderes Highlight, ein Amulett zum Vorschein. «Wahrscheinlich trug einer der Mineure dieses um den Hals, es zeigt den heiligen Georg mit dem Drachen.» Die Funde werden derzeit im Museum «Zum Feld» gezeigt, wo auch eine Ausstellung mit den Archivdokumenten eingerichtet wurde.
Bohrprojekt für 2025
Mehrere Schächte und bereits begonnene Stollen blieben unvollendet. Einer dieser Stollen fasziniert Vogt und sein Team besonders. Er liegt hinter dem rund 200 Meter langen Eingangsstollen hinter der Gondelbahn-Talstation. Mit einem heute verschütteten Schacht wurde er in beide Richtungen vorgetrieben. Zu einem Durchbruch kam es aber nie. «Sieben Meter fehlen uns bis zum Stollen A», erklärte Vogt. Geplant ist eine Bohrung mit einem Durchmesser von etwa 30 Zentimetern vom Vorstollen zum Stollen A. «Wir möchten eine Kernbohrung machen, um Erschütterungen möglichst zu vermeiden.»
Sobald der Durchschlag erfolgt ist, muss ein Pfropfen auf das Loch gedrückt werden. «Der Stollen dahinter ist vermutlich voller Wasser, das langsam abfliessen muss, ansonsten könnte der Stollen einstürzen.» Dann soll eine Kamera eingeführt werden. Vogt erwartet, die Abstützungen, Gleise der Feldbahn, vielleicht auch Werkzeug und Gerätschaften im Stollen A zu finden. «Diese Zeitkapsel ist wohl weltweit einzigartig», meinte er erfreut.
Noch fehlen 35000 Franken für die Expedition à la «Indiana Jones», wie Vogt berichtete. Doch er und sein Team sind zuversichtlich, die Summe zusammenzubekommen. Ein Crowdfunding wurde gestartet. Wenn alles gut geht, sollen die Geheimnisse des Wasserfallenstollens nächstes Jahr ans Licht kommen.
Lorenz Degen