Ein Heimatbegriff, der nicht ausgrenzt

Reigoldswil Gut besuchter Podiumsabend des Heimatkunde-Projektteams  

Auf dem Podium: Raymond Tanner, Fabienne Hartmann, Gerin Cherian, Maria Magdalena Moser, Ueli Mäder, Moderatorin Viviane Rudolf von Rohr-Dyck (v. l.). Fotos: M. Schaffner

Auf dem Podium: Raymond Tanner, Fabienne Hartmann, Gerin Cherian, Maria Magdalena Moser, Ueli Mäder, Moderatorin Viviane Rudolf von Rohr-Dyck (v. l.). Fotos: M. Schaffner

Daniela Schneeberger informierte über das Nordwestschweizer Jodlerfest 2025.

Daniela Schneeberger informierte über das Nordwestschweizer Jodlerfest 2025.

«Heimat» bedeutet für die einen Wurstsalat und Rösti, für die anderen Guggenmusik, den Blick auf den Rifenstein, die Nähe von Geschwistern, Eltern und Freunden, die Wärme der eigenen Wohnung, oder dass man im Dorf mit dem Namen gegrüsst wird. Das waren die Anworten, die Moderatorin Viviane Rudolf von Rohr-Dyck ihren Podiumsgästen entlockte. Heimat, so wurde schnell klar, ist nicht unbedingt ein spezifischer Ort, sondern kann auch aus einem Gefühl bestehen: Sicherheit, Wohlfühlen, Miteinander, Geborgenheit, Vertrautheit.

Der gut besuchte Anlass im Gemeindezentrum von Reigoldswil fand im Rahmen des Heimatkunde-Projektes statt. Die regelmässigen Projekt-Infoabende werden jeweils mit einem thematischen Block verbunden, diesmal mit einem Podium zum «schillernden Begriff Heimat». Einleitend stellte der Soziologe Ueli Mäder einige Gedanken in den Raum: Ein Begriff enthalte nie «die Wahrheit», sondern sei immer nur der Versuch, sich sozialen Wahrheiten anzunähern. Mystisch verklärte Bilder von Tell und Rütlischwur, die «von oben» eingesetzt worden seien, müssten kritisch überprüft werden. Allerdings sei es spannend, sie auf ihren Kern zu untersuchen: In der Geschichte der Kappeler Milchsuppe sei eine Verbrüderung zustande gekommen, die ein anderes Verständnis von Heimat zeige, das «von unten» komme. Ein Verständnis, das nicht auf einer Zwangsabgrenzung – unter Seinesgleichen in Feindschaft zu allen anderen – beruhe.

Mäder riet zudem, den Blick für geflüchtete Menschen zu schärfen, die es nicht so «ring» hätten wie wir in der Schweiz, im «Wunderland», das von Rohstoffen zum Nulltarif und von Gastarbeitern profitiert habe. Heimat sollte deshalb Geborgenheit nicht nur für Privilegierte, sondern für alle implizieren.

Dorfleben und Engagement

Podiumsgast Raymond Tanner, Gemeindepräsident von Lauwil und OK-Vizepräsident des Nordwestschweizer Jodlerfests 2025, verbindet Heimat mit einem funktionierenden Dorfleben: «Es gibt Situationen, in denen du spürst, mit diesem Dorf schaffst du alles!» Das habe auch mit Demokratie zu tun: Man sitze an einem Tisch und spiele den Ball so lange hin und her, bis man eine Lösung finde. Das gilt auch für Traditionen wie das Jodeln, die Tanner gern öffnen möchte, aber ohne die Wurzeln preiszugeben. Wenn junge, urbane Menschen den Naturgesang neu interpretieren, sei das gut, aber ein altgestandener Jodler, den es dabei «schüttle», müsse auch sagen dürfen: «Das hat jetzt gar keinen Platz!»

Maria Magdalena Moser ist in Reigoldswil und in Bolivien, wo sie ein soziales Projekt für Hausangestellte leitet, gleichermassen daheim: «Es spielt keine Rolle, ob ich am Waldrand oder in der Steppe bin, letztlich ist Heimat dort, wo ich engagiert bin und mit anderen Menschen zu einem Ziel unterwegs bin.»

«Heimat ist etwas, das man selber macht», meinte auch der Politik- und Geschichtsstudent Gerin Cherian. Er hat indische Wurzeln und fühlt sich in Reigoldswil seit seiner Kindheit gut aufgenommen, wofür er dankbar ist. Fabienne Hartmann, Mitglied des Heimatkunde-Projektteams, fügte hinzu, dass – auch wenn Heimat ein Gefühl sei – der Ort eine wichtige Rolle spiele. Denn wo man geboren sei, sei Heimat schon «gegeben» – wenn man irgendwo hinziehe, müsse man sich alles zuerst erarbeiten.

Alphorn und Jodeln

Stimmungsvoll, mit einigen Alphornstücken und der Sage von der Entstehung des Alphorns, liess Marcel Gisin den Abend ausklingen. Sein Beitrag war das Pendant zum Jodel-Trio Geschwister Weber, mit dem der Anlass begonnen hatte.

Ebenfalls im ersten Teil gab Roland Plattner, der Präsident des Heimatkunde-Projektteams, weitere Infos zur Heimatkunde Reigoldswil, die, anders als die letzte Heimatkunde von 1987, nicht als Buch erscheint, sondern als laufendes Online-Projekt (heimatkunde-reigoldswil.ch). Wie Plattner durchblicken liess, wird aber zusätzlich ein Faltprospekt gedruckt. Genaueres dazu werde zu einem späteren Zeitpunkt mitgeteilt. Momentan sind rund 70 Beiträge abrufbar, bei der letzten Infoveranstaltung waren es noch 50. Auch wenn das Projekt als solches 2026 abgeschlossen sei, werde es weitergehen, meinte Roland Plattner: «Denn Heimat findet nicht nur alle 30 Jahre statt, sondern täglich.» Das Projektteam sei daran, eine Nachfolgeorganisation zusammenzustellen.

Im Jahr 2025 findet ausserdem das bereits erwähnte Nordwestschweizer Jodlerfest in Reigoldswil statt, vom 13. bis 15. Juni (www.jodlerfestreigoldswil.ch). OK-Präsidentin Daniela Schneeberger und Raymond Tanner informierten über den Anlass, zu dem 15000 Besuchende und 1500 aktive Jodler/-innen, Alphornbläser/-innen und Fahnenschwinger/-innen erwartet werden.

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