Zum ersten Mal an einem Eidgenössischen
Der Männerchor Harmonie Arboldswil befindet sich bereits in seinem 133. Vereinsjahr, aber aus den Vereinsakten geht nirgends hervor, dass er je an einem eidgenössischen Gesangsfest teilnahm. Zudem weist der Arboldswiler Männerchor eine Besonderheit auf: Schon seit 2008 singen im ersten Tenor auch drei Frauen mit. Dennoch behält der Chor die klassischen Register der Männerstimmen und zum Teil auch das Liedgut bei. Eine Namenänderung stand nie zur Diskussion. Die Vereinsleitung obliegt einer Dame (Stephanie Leuenberger) und ebenso die Chorleitung (Petra Lüscher): Frauenpower im von Männern dominierten Verein!
Das Eidgenössische Gesangsfest nennt sich neu «Festival der Chöre» und fand vom 20. bis 28. Mai unter dem Motto «Schweiz singt – Gossau klingt» in diesem schmucken Städtchen im Kanton St. Gallen statt. Sympathisch und sehr geschätzt wurde an diesem Grossanlass die Einführung von sogenannten Guides. Jedem Chor wurde nach der Anmeldung ein Guide zugewiesen. Dieser meldete sich schon vor dem Anlass telefonisch bei der Präsidentin und stellte sich vor. Und «Sepp», so wollte er genannt sein, empfing die Arboldswiler bereits am Bahnhof und begleitete sie zwei Tage lang durch den Anlass; ein schriftlicher Festplan und Festprogramm erübrigte sich. Alle Chöre befanden sich dank dieser Idee stets zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, was auf dem doch relativ grossen Festgelände mitten in der Stadt nicht selbstverständlich war.
Gleich am ersten dieses neun Tage dauernden Festivals, Freitag, 20. Mai, traten die Arboldswiler mit zwei Wettkampfliedern an: «O Täler weit, o Höhen» (Melodie: F. Mendelsohn-Bartholdy, Text: Josef von Eichendorf) und «Denn jeder braucht mal eine Pause» (Melodie: Pasquale Thibaut, Text: Gerhard Grote). Nicht nur für den Chor, auch für die Dirigentin, die erstmals einen Chor leitet, war der Auftritt eine Herausforderung. Den Mut aufbringen, nach dem ersten Takt das Lied gleich abzubrechen, weil die Sängerinnen und Sänger das Anstimmen nicht tonrein übernommen haben, spricht denn auch für ihre sichere Chorführung. Zweifellos hat die Aufregung für den nur zwölf Stimmen umfassenden Chor, am Fest mit zwei temporär zugezogenen Männerstimmen verstärkt, das Seine dazu beigetragen. Aber so etwas kann dem besten Chor passieren und so fand der kleine Zwischenfall in der Expertenbeurteilung kaum einen Niederschlag. Mit dieser waren alle rundum zufrieden. Der Anlass bot ja auch die einmalige Möglichkeit, bei den Auftritten der über 130 teilnehmenden Chören mitzuhören, was rege benützt wurde. Und so lautete denn das Arboldswiler Fazit nachher: Wir brauchen das Licht nicht unter den Scheffel zu stellen!
Der Slogan «Gossau klingt» traf voll zu. Zu den Wettbewerbsdarbietungen, in einstündigen Blöcken mit je drei bis vier Chören, die je zwei bis drei Lieder vor zwei Experten darboten, gab es zwar nur Zulass vor Beginn und kein Austreten vor Abschluss. Aber an vielen Orten in der Festmeile gab es indessen freie, öffentliche und spontane Auftritte vor einem vorbeiziehenden und kritisch zuhörenden Publikum.
Selbst anlässlich des abendlichen Festbanketts wurde gesungen. Meist begann ein Chor zu singen und andere schlossen sich bei bekannten Liedern spontan an; eine «Bombenstimmung» im Festzelt! Und wegen dieser euphorischen Festlaune haben die Arboldswiler, nebst andern auch, ganz vergessen, der in einem anderen Zelt stattfindenden offiziellen Festivaleröffnung mit der St. Galler Bundesrätin Karin Keller-Sutter beizuwohnen.
Josua Oehler