Wo Perlen zum Vorschein kommen

Liestal Das «Poete-Näscht» ist in eine Genossenschaft umgewandelt worden – am Samstag ist Neueröffnung

Peter Graf weiss, wo vergessene oder zu wenig beachtete Bücher-Perlen zu finden sind. Foto: m. Schaffner
Peter Graf weiss, wo vergessene oder zu wenig beachtete Bücher-Perlen zu finden sind. Foto: m. Schaffner

Das «Poete-Näscht» in der Rathausstrasse in Liestal ist keine gewöhnliche Buchhandlung. Es ist sowohl Antiquariat als auch Neubuchhandlung, daneben funktioniert es als Informationsstelle für Liestal Tourismus und Baselland Tourismus sowie als Empfang des «Dichter:innen- und Stadtmuseum» (DISTL), das sich in den Obergeschossen befindet. Ausserdem verkauft es originelle Postkarten.

«Es ist eine Nonprofit- und Kulturunternehmung, in der viel Herzblut drin ist, von mir und den vier langjährigen Mitarbeitern», sagt Peter Graf, der das «Poete-Näscht» vor 22 Jahren aufgebaut hat. Da er sich aus dem Alltagsgeschäft zurückziehen will, wurde das «Poete-Näscht» letztes Jahr in eine Genossenschaft umgewandelt. «Ich wollte, dass es weiter besteht und auf eine breitere Trägerschaft gestellt wird», erklärt Graf.

Das «Poete-Näscht» hat seinen Namen von dem Buch «Ein Poetennest» von Justus Stöcklin aus dem Jahr 1922 über die Dichterstadt Liestal. Neuere Baselbieter Literatur – neben allgemeiner Belletristik, Reisebüchern, Klassikern, Krimis und Büchern zu aktuellen Zeitfragen – sind in der Neubuch-Abteilung zu finden. Wer nach älteren Liestaler, Baselbieter oder Schweizer Autor/-innen sucht, kann im Antiquariat stöbern. Dieses bietet aber noch weit mehr: Eine sorgfältig sortierte und zugleich überwältigend breite Auswahl an Schweizer und internationaler Literatur, zum grossen Teil aus dem 20. Jahrhundert. «Man merkt beim Abschreiten der Bücherregale, dass hier Kenner und Literaturliebhaber das Angebot zusammenstellen», schreibt der Blog «buchort.ch» begeistert.

Peter Graf pflegt die «Perlen», die vielfach aus dem Bewusstsein verschwunden sind, «weil sie nicht gerade zu den paar Standards gehören.» Vor allem in der Nachkriegsliteratur sei das der Fall, beispielsweise unter den Schriften der «Gruppe 47».

Die Sachbücher sind in zahlreiche Unterteilungen gegliedert, von Psychologie, Sozialwissenschaften, Philosophie, Theologie bis zu östlichen Weisheiten. Lyrik, Theaterliteratur und Kinderbücher sind ebenso vertreten. Diese Auswahl sei etwas, was heute nicht mehr so gemacht werde, stellt Peter Graf fest, und spreche eine Kundschaft an, die gezielt nach etwas suche. Im Bereich Literatur seien es mehr Frauen, bei den Sachbüchern mehr Männer, bei den Kinderbüchern Eltern und Grosseltern. Auch Jüngere kämen ins «Poete-Näscht», beispielsweise um nach Fantasy-Literatur zu suchen.

Bei weitem nicht alles findet den Weg in die Regale: «Es war immer viel, das wir ‹gekübelt› haben», betont Peter Graf. Eine Zeit lang habe das «Poete-Näscht» viele gängige Taschenbücher und Unterhaltungsromane verkauft, was sehr geschätzt worden sei, aber jetzt sei ein Annahmestopp in Kraft. Mittlerweile gebe es genug Gratis-Bücherfenster und -schränke, in denen solche Bücher in ansprechendem Zustand erhältlich seien.

Eine der grössten Privatsammlungen

Was im «Poete-Näscht» sichtbar ist, ist nur ein kleiner Teil der Bücher, die Peter Graf im Lauf der Zeit gesammelt hat. Der grösste Teil lagert in seinem Wohnhaus, einem denkmalgeschützen Bauernhaus in Lupsingen. Mit über 100 000 Büchern ist seine Sammlung eine der grössten Privatbibliotheken der Schweiz.

Hauptberuflich führt Peter Graf eine Psychiatriepraxis in Frenkendorf. Mit Büchern hatte er aber immer schon zu tun. Mit der Zeit habe sich vor allem Kinder-, Jugend- und allgemeine Literatur bei ihm angesammelt, erzählt er, «aber das war noch bescheiden». Die richtige «Initialzündung» sei gewesen, als er am Dorfmarkt in Lupsingen mit einem Bücherstand angefangen habe. Der Erlös floss in die Rumänienhilfe der Nikodemus-Brockenstube in Sissach, deren Bücherei er gleichzeitig ordnete. Und Peter Graf flossen immer mehr Bücher zu, unter anderem von Leuten, die ihm ihre nicht mehr benötigten Bücher vorbeibrachten. Ein grosser Teil der Bücher im heutigen «Poete-Näscht» stammt aus Nachlässen und Privatbibliotheken, die Peter Graf mit seinem 22-jährigen Mercedes-Kombi besucht, um das Interessante auszuwählen und mitzunehmen. Aber auch durch Buchbesprechungen, durchs eigene Lesen und durch den Austausch von Texterfahrungen mit den Mitarbeitern stösst er auf potenzielle Neuzugänge.

«Irgendwann fand ich, nach der Pension mache ich ein kleines Antiquariätli auf», fährt Peter Graf fort. Es kam aber schon früher dazu, nämlich 2001, als das Dichter- und Stadtmuseum eröffnet wurde. Als Peter Graf hörte, dass das Parterre für einen kommerziellen Zweck zur Verfügung gestellt werden soll, sah er die Gelegenheit, diesen Traum zu verwirklichen. Museumsleiter Hans Rudolf Schneider sei derselben Meinung gewesen. «Der Deal war, dass wir das Museum für sie offen halten, weil sie es sich nicht hätten leisten können, jemanden anzustellen», erläutert Peter Graf.

Übersehenes in den Fokus stellen

Nach der Umwandlung in eine Genossenschaft nimmt das «Poete-Näscht» einen weiteren Schritt und dehnt das Neubuch-Sortiment aus, etwa bei der Baselbieter und Schweizer Literatur, aber auch bei Aktualitäten. Im vorderen Bereich gibt es zusätzliche Gestelle und «Neuererscheinungstürme». «Wir unterscheiden uns aber weiterhin von anderen Buchhandlungen», sagt Peter Graf.

Den Kurz-Umbau feiert das «Poete-Näscht» am Samstag mit einem Neueröffnungsfest (siehe Infobox). Peter Graf hat sich ausserdem vorgenommen, mehr Lesungen zu organisieren. Am Freitag, 14. April, liest er im DISTL aus seinen «Eisenbahngeschichten» – Peter Graf ist nämlich auch selber Autor. Hauptsächlich geht es ihm mit den Lesungen darum, seinem Anliegen gerecht zu werden, das er immer schon hatte: «Gewisse Sachen, die nicht recht wahrgenommen werden oder in Vergessenheit geraten sind, in den Vordergrund zu stellen.» Das neueröffnete «Poete-Näscht» bietet dazu, wie schon in den vergangenen 22 Jahren, die besten Voraussetzungen.

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