Wie Phönix aus der Asche
Interview «Lichtblicke»-Koordinator Michael Giertz über die Situation der Kulturschaffenden in der Covid-Krise
Wann waren wir zuletzt an einer Konzertveranstaltung? Wann haben wir zuletzt das Tanzbein geschwungen? Wir waren in der Region Basel an ein reichhaltiges Kulturprogramm gewohnt, bis das Covid-19-Virus kam …
Wie geht es Musikern/-innen und Kulturschaffenden in dieser schwierigen Zeit? Mit dieser Frage wandten wir uns an Michael Giertz. Er ist Pianist und Koordinator der Kulturnacht «Lichtblicke» in Liestal. Diese wurde im letzten November kurz vor ihrem Stattfinden abgesagt.
Herr Giertz, wie würden Sie die Entwicklung in der Kulturszene während dieser Pandemie beschreiben?
Michael Giertz: Anfänglich war der erste Lockdown noch so etwas wie ein Abenteuer. Viele Kulturschaffende genossen anfänglich die verordnete Ruhe oder nutzten die Zeit für Projekte, die immer liegen geblieben waren. Aber jetzt, ein Jahr später, spüre ich doch die Anzeichen einer Lethargie und einer Resignation. Es gilt, den Antrieb und die Motivation aufrecht zu erhalten oder gar wiederzufinden.
Sie wirken unter anderem ja als Koordinator der Kulturnacht in Liestal.
Die Kulturnacht gibt es nun schon seit 17 Jahren, ich habe vor drei Jahren die Organisation dafür übernommen. Sie ist hat klein angefangen mit einer Hand voll Angeboten. Unterdessen ist sie ein grosser Event, an dem quasi sämtliche Kultur-Institutionen in Liestal teilnehmen. Die Absage im letzten Jahr kam sehr knapp und die ganze Arbeit war zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger schon gemacht.
Sie hoffen, dass sich die Situation baldmöglichst beruhigt? Wie gehen Sie die Planung der Kulturnacht an in diesem Jahr?
Für dieses Jahr bin ich nach wie vor optimistisch. Gegenwärtig planen wir so, wie wenn es kein Corona gäbe.
Was für ein Programm bietet die Kulturnacht?
Viele der Angebote sind regional verankert. Es findet sich ein sehr breites Angebot verschiedenster Kultur-Genres, von Musik, Theater, Spoken-Word, über Produktionen von Jugendlichen, bis zu Ausstellungen, bildender Kunst, Performances und vieles mehr!
Können Sie Ihre Beschäftigung als Musiker mit der Tätigkeit als Eventmanager vereinbaren?
Ja, sehr gut sogar! Als Musiker sind bei mir mit Konzerten in erster Linie Abende und Wochenenden belegt, mit der organisatorischen Arbeit bin ich zeitlich weniger gebunden.
Sie erzählten, dass die Kulturnacht im letzten Jahr sehr kurzfristig abgesagt wurde. Wie haben die Künstler auf diese Entscheidung reagiert?
Ich habe bei der Organisation der Kulturnacht mehr mit den Veranstaltern, als mit den auftretenden Künstlern selbst zu tun. Es gibt Institutionen, die im Moment mit einer existenziellen Bedrohung ihres Betriebes leben müssen.
Haben Sie als Musiker finanzielle Unterstützung erhalten?
Für meine Tätigkeit als Bühnen-Künstler kriege ich seit dem letzten Frühjahr eine Arbeits-Ausfallentschädigung. Da kann ich mich nicht beklagen. Gerade bei Kunstschaffenden mit Familie kann es jedoch schnell zu ernsthaften Engpässen kommen. Dass der Kultursektor krisenanfällig ist und viele Künstler schlecht abgesichert sind, bekommen wir gerade zu spüren.
Gibt es im Rückblick auf das letzte Jahr doch etwas Positives für die Zukunft?
Solche Notlagen bringen die Menschen zum Nachdenken und es ergeben sich Dinge, die sich nur ergeben, wenn man einem etwas fehlt, das man gewohnt ist, immer zu haben. Auch ich habe Hilfe und Unterstützungsangebote von Seiten bekommen, von denen ich sie nicht erwartet hätte.
Wie würden Sie in einem ähnlichen Fall in Zukunft reagieren?
Wir würden erneut versuchen, das Beste daraus zu machen. Es ist eine Herausforderung bei verschiedensten Bedürfnissen Kompromisse zu finden. Es braucht in solchen Situationen gemeinsamen Kräfte.
Und Sie denken, dass das kulturelle Leben weiterlebt?
Das ist ja gar keine Frage! Ein gewisser Schaden wird wohl bleiben, das macht wiederum Platz für Neues. Was weiterleben soll, das wird wieder auferstehen, da bin ich optimistisch, wie Phönix aus der Asche!
Interview: Koisyn Schneider
Koisyn Schneider ist Erwachsenen-Ausbilderin und Trainerin Interkulturelle Kompetenzen und wohnt in Büren.