Weihnachten bis zum Schluss
Liestal In der Stadtkirche erklangen die Kantaten 4–6 von Bachs Weihnachtsoratorium
Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach gehört zum westlichen Kulturgut. Keine Weihnachten ohne dieses grossartige Werk. Doch wirklich bekannt sind nur die drei ersten Kantaten. Der Dirigent Fritz Krämer hat in Liestal die weniger oft gehörten Kantaten 4–6 aufgeführt. Zusammen mit dem Oratorienchor Baselland, dem Reformierten Kirchenchor Herzogenbuchsee und seinem Orchester Camerata Vivaldiana, orientiert an historisch informierter Aufführungspraxis, erklang Bachs Musik.
Unser Leben ist längst nicht mehr durch die Religion bestimmt. Vor noch nicht allzu zurückliegender Vergangenheit bestimmte das Kirchenjahr unser aller Leben. Die Weihnachtszeit dauerte rund 40 Tage und endete am 2. Februar. Bachs Weihnachtsoratorium wurde für die wichtigsten Festtage in dieser Zeit geschrieben. Teil 4 ist zum Fest der Beschneidung Christi geschrieben und wurde an Neujahr aufgeführt. Teil 5 gehört zum Sonntag nach Neujahr und Teil 6 war komponiert für das Erscheinungsfest oder Lichtmess. Alle Kantatentexte beziehen sich auf ihre Festtage.
Schon der Eröffnungschoral «Fallt mit Danken» brachte die ganze Pracht der Musik in der Liestaler Stadtkirche zur Entfaltung. Das Orchester spielte glasklar und rhythmisch enorm spannend und bereitete damit den Boden des grossen Chores und der vier Solistinnen und Solisten. Der Evangelist (Michael Feyfar, Tenor) sang seine heiklen Rezitative mit enormer Klarheit und Verständlichkeit. Die Sopranistin (Kristen Witmer sprang für Hana Blažikova ein) fand in der Arie «Flöszt, mein Heiland» mit dem Echosopran aus dem Chor und der Solo-Oboe zu einem feinen Gleichklang zusammen, wobei die Sopranistin ihre Arie sehr innig gestaltete. Während des ganzen Oratoriums werden die Gesangssoli oft von Instrumentalsoli begleitet oder sind miteinander in Zwiesprache. Das Tenorsolo «Ich will nun dir» wird von einer Triosonate mit zwei Soloviolinen eingeleitet und dann von den beiden Geigen umspielt.
Der 5. Teil begann wiederum mit einem Choral «Ehre sei dir, Gott, gesungen», nun ohne Blechbläser, und führte in die Herodes-Problematik ein, welche diese Kantate bestimmt. Die Bass-Arie «Erleuchtet auch meine finstre Sinnen» (Krešimir Stražanac) und das begleitete Rezitativ des Alts «Sucht ihn in meiner Brust» (Olivia Vermeulen) zeigten auf, wie gewaltig Bachs Musik sein kann.
Der Schlussteil, diesmal mit königlichen Trompeten und Pauken, setzten den festlichen Höhepunkt des Oratoriums. Die Herodes-Geschichte findet ihren Abschluss, die Drei Könige bringen ihre Geschenke dem Jesuskind und huldigen ihm als ihrem wahren König. Der Tenor, schon als Evangelist brillant, sang seine Arie «Nun mögt ihr stolzen Feinde schrecken» mit grosser gesanglicher Feinheit und leitete von dem vom Gesangsquartett gestalteten Rezitativ zum grossartigen Schlusschoral «Nun seid ihr wohl gerochen» über. Nochmals brillierten die drei Trompeten und tänzelte der Paukist seine Schläge auf seine beiden Instrumente.
Als Nachklang bleibt ein erhabenes Gefühl, Bachs Musik erfüllt einen mit grossem Glück. Allen Mitwirkenden war die Freude an den Augen abzulesen und die Zuhörerinnen und Zuhörer konnten das Werk geniessen. Noch mehr hätten es alle diese Menschen verdient, das Konzert unter besseren Bedingungen, sprich ohne Masken aufführen zu können. Aber sie haben es so gut gemacht, dass man fast gleich tänzelnd, wie der Paukist ins immer noch weihnachtlich erleuchtete Stedtli zurückfand.