Von Menschen und Häusern

Ziefen Franz Stohler hat seiner Gemeinde ein Denkmal gesetzt

Franz Stohler vor dem Posamenterhaus an der Lupsingerstrasse 26.  Foto: E. Gysin
Franz Stohler vor dem Posamenterhaus an der Lupsingerstrasse 26. Foto: E. Gysin

Die allermeisten stehen noch, die alten Ziefner Häuser erbaut im 19. Jahrhundert und bis in die Vorkriegszeit des letzten Jahrhunderts. Einige standen im Weg, zu nahe an der Strasse, oder sie waren derart baufällig, dass sie mit vernünftigem Aufwand nicht mehr saniert werden konnten und abgebrochen wurden. Rückgebaut. In ihnen wurde gewohnt und gearbeitet, posamentet in erster Linie. Man lebte bis weit ins 20. Jahrhundert von der Seidenbandweberei, ein bisschen Landwirtschaft zur Selbstversorgung. Die Menschen im oberen Baselbiet waren arm zu jenen Zeiten und lebten bescheiden. Die Landwirtschaft ist gänzlich aus dem Dorfkern verschwunden, sie hält sich noch auf den Aussenhöfen. Manches Haus im Dorfkern ist noch mit einem leerstehenden Ökonomieteil versehen. Eine Erscheinung, die nicht bloss auf die Gemeinde Ziefen zutrifft. Auch Handwerker haben das Dorf geprägt, manches Gewerbe ist ebenfalls ausgestorben, weil es schlicht keine Grundlage mehr hat.
Im Jahr 1923 hat der damalige Gemeindeschreiber Ernst Schlumpf für Ziefen sämtliche Webstühle aufgelistet. Es waren deren 217, manche standen in den typischen Posamenterhäusern, wo Weben und Wohnen eins waren. Angebaut ein kleiner Stall für zwei Kühe und ein Schwein. Drumherum ein Baumgarten mit wenigen Obstbäumen, Hauszwetschgen, Klaräpfel, Birnen, Mirabellen und immer dabei ein Lederapfelbaum. Immerhin wurde das Schwein irgendwann geschlachtet und dann brauchte es schon Lederäpfel. Die Obstbäume gibt es nicht mehr, die Menschen sind verstorben, sie haben aber Spuren hinterlassen, ihre Geschichten und die ihrer Familien. Im eben veröffentlichten Buch: «Ziefner Häuser-Geschichten» hat Franz Stohler manche dieser Geschichten für die Nachwelt vor dem Vergessen bewahrt.


Dorfnamen wurden über Generationen weitergegeben
Er konnte dabei auf ein umfangreiches Archiv zurückgreifen. Der 82-Jährige hat früh im Leben angefangen als Journalist zu arbeiten. Er sei vom Lehrer Suter an der Reigoldswiler Bezirksschule dazu ermuntert worden, erzählte er. Das Lokale und der Sport waren seine Themen, zu denen er manche Berichte verfasst hat. Später kam dann das Fachliche dazu und wurde sein Haupterwerbszweig, die Wasserversorgung und Energiefragen waren die prägenden Fachgebiete, die ihn beruflich beschäftigten. Franz Stohler ist ein aufmerksamer Mensch, ein guter Zuhörer, ein Beobachter mit einem Elefantengedächtnis. Manches an Informationen hat er gesammelt und zur Seite gelegt, dieses Archiv ist dem Ur-Ziefner jetzt, bei der Abfassung dieses Buches, zupass gekommen. Er war Schulpfleger, diente seiner Gemeinde im Wahlbüro, besuchte regelmässig die Gemeindeversammlungen und war auf diese Weise bestens vernetzt im Dorf.
Als Leitlinie nutzte Stohler Gemeindeschreiber Schlumpfs Rodel über die Ziefner Webstühle. Das Verzeichnis beginnt am Nordrand des Dorfs, rechter Hand, wenn man von Bubendorf herkommt. Dort steht die Diegmatt, das stattliche Haus ist 1844 erbaut worden. Es wurde landesweit bekannt, weil dort 1986 der letzte Ziefner Webstuhl für immer verstummte. Die Heimposamenterin Lisette Waldner, «S Diegmatt Lisettli», war dort zuhause, sie verstarb im Jahr 2000 im hohen Alter von 96 Jahren, mit ihrem Tod war die Epoche der Posamenterei im Baselbiet Geschichte. Weiter dorfaufwärts gelangen wir an der Hauptstrasse 64 an eines der schönen Posamenterhäuser, 14 Fenster prägen die Fassade strassenseitig, erbaut wurde es vermutlich im Jahr 1829. Es wurde von zwei Familien Tschopp bewohnt, die eine hat den Dorfnamen «S Noldis» abgeleitet von einem Vorfahren mit Namen Arnold, die zweite heisst im Dorfjargon «S Charers» abgeleitet wohl von Karren. In diesem Haus lebte auch Ernst Tschopp, «Chare Aernscht», er war von 1954 bis 1976 Filialleiter der Oris Uhrenfabrik in Ziefen. Die Oris brachte Arbeit ins Dorf und den Leuten ein Ein- und Auskommen. Mit den Dorfnamen geht es dann weiter mit «S Buser Hanse» und «S Cheser Albärts», die Dorfnamen sind keine Ziefner Spezialität, es gibt sie in jedem Dorf. Sie sind auf der Roten Liste, also am Verschwinden, sie machen familiäre Verbindungen über Generationen sichtbar. Sie stammen auch aus einer Zeit, als die Menschen selten aus dem Dorf kamen, etwa ein Marktbesuch im Jahr oder zu Tanz gehen im Nachbardorf, so lernten sich wohl viele junge Menschen kennen und schlossen später den Bund fürs Leben.

Franz Stohler ist mit diesem Buch ein Blick hinter die Ziefner Fassaden gelungen. Ein kurzweilig zu lesendes Werk, ein Gemälde seiner Heimatgemeinde von unschätzbarem Wert. Denn wer die Geschichte kennt, kommt mit der Zukunft besser zurecht. Das Buch ist auch ein Zeitdokument, früher gab es mehr miteinander, weil es gar nicht anders ging. Heute bekommt man oft den Eindruck, dass nebeneinander wichtiger geworden ist.

Das Buch «Ziefner Häuser-Geschichten» ist in den beiden Ziefner Läden erhältlich und bei der Volksstimme in Sissach. Am Samstag, 19. Dezember 2020, signiert der Autor sein Werk zwischen 10 bis 11 Uhr auf der Gemeindeverwaltung Ziefen. Erhältlich ist es auch im Buchhandel, es kostet 28 Franken.

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