Starke Frauen, von denen wir etwas lernen können
«Unsere Kraft trägt uns voran» Fotoausstellung über bolivianische Hausarbeiterinnen im DISTL
Mädchen, Teenager, Frauen. In ihren Dörfern, umgeben von Haustieren und Bergen. In der Grossstadt, am Arbeitsplatz, im Innenhof einer Villa, an eine dekorative Mauer gelehnt. Ernste Gesichter, lächelnde Gesichter. Gegensätze: Farbenrausch und Kargheit, Lebenskraft vermischt mit einer leisen Ahnung, dass hinter den Porträts zum Teil harte Schicksale stecken.
Die ausdrucksstarken Fotografien von Luca Zanetti versetzen die Betrachter/-innen sofort in eine andere Welt – in die Lebensrealität von Hausarbeiterinnen in Bolivien. Eine massive Landflucht führt dazu, dass junge, unerfahrene Mädchen ihr Dorf verlassen und Arbeit in der Stadt suchen, oft als Hausangestellte. Manche geraten an Kriminelle, gar an Menschenhändler. Diejenigen, die eine Anstellung finden, werden oft ausgebeutet. Als indigene, wirtschaftlich benachteiligte Frauen sind sie von einer dreifachen Diskriminierung betroffen.
Was haben die bolivianischen Dienstmädchen mit Liestal zu tun? Ganz einfach: Der Verein «Anlaufstellen für Hausarbeiterinnen in Bolivien» – den ObZ-Leser/-innen seit Langem ein Begriff – hat seinen Sitz in Liestal und ist in der Region fest verankert. Ein breiter Kreis von Spender/-innen sorgt dafür, dass die Aktivitäten aufrecht erhalten werden können. In den Anlaufstellen in Sucre und Santa Cruz erhalten Hausarbeiterinnen, die oft in prekären Verhältnissen leben, Unterstützung und Beratung. Im Austausch miteinander erkennen sie, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind und dass sie sich zur Wehr setzen können.
Zwölf Frauen von zwölf bis 71
Das neuste Projekt von Initiatorin Maria Magdalena Moser aus Reigoldswil ist das Buch «Unsere Kraft trägt uns voran – Frauen in Bolivien erzählen» und die gleichnamige Ausstellung im DISTL (Dichter- und Stadtmuseum Liestal). Im Buch lässt sie zwölf Frauen im Alter von zwölf bis 71 Jahren ihre Geschichte erzählen. Ihre Erfahrungen umfassen mehr als ein halbes Jahrhundert, von der Zeit der Gutsbesitzer vor der Agrarrevolution bis zu heutigen Mädchen, die über ihren Umgang mit Social Media reden.
Die Ausstellung kommt mit wenigen Worten aus. Unaufdringlich regen die Beschriftungen dazu an, sich in die Situation der Frauen hineinzudenken: beispielsweise in das Leben der älteren Hausangestellten, die einen gewalttätigen Streit zwischen dem Hausherrn und seiner Frau miterlebt.
Nur zwei längere Texte sind in der Ausstellung zu finden, quasi als Leseprobe aus dem Buch. Kunst soll für sich selber stehen, findet Maria Magdalena Moser. In Luca Zanetti hat sie einen Fotografen gefunden, der die intimen Erzählungen einfühlsam umsetzt.
Der Aufwand für das Buch und die Ausstellungen waren riesig: Natürlich ist Maria Magdalena Moser seit Jahrzehnten mit dem Land vertraut und verfügt durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit über viele Kontakte. Doch nun galt es, Frauen zu finden, die bereit waren, beim Projekt mitzumachen und sich fotografieren zu lassen. Damit nicht genug: Als die Texte und Bilder redigiert und ausgewählt waren, reiste sie abermals nach Bolivien und legte den Frauen alles noch einmal vor. Was nicht immer einfach war, denn einige waren in der Zwischenzeit weggezogen – und das Reisen ist in Bolivien nicht so einfach, besonders in den entlegenen Gebieten, wie Maria Magdalena Moser erklärt.
Liestal und die Welt
Zurück zur Frage, was die Ausstellung mit Liestal zu tun hat: Die Autorin und Kuratorin weist darauf hin, dass ein Bereich der Dauerausstellung im DISTL den Titel «Liestal und die Welt» trägt. Als sie dort einen Flyer der ehemaligen Textilfabrik Hanro gesehen habe, auf dem Arbeiterinnen in Süditalien gesucht worden seien, hätten bei ihr die Alarmglocken geläutet – es sei dieselbe Problematik wie in Bolivien.
Maria Magdalena Moser betont, dass sie ihr Engagement nicht als ein «Wir helfen den armen Menschen in Bolivien» versteht. Sondern als Austausch auf Augenhöhe: «Sie geben uns die Chance, etwas auf eine andere Art zu erfahren.» Es sei nicht einfach eine Thematik, die anderswo auf der Welt stattfinde und «irgendwie auch noch interessant» sei. Das «Hineinhören in die Geschichten der Frauen» mache auch etwas mit einem selber. Bei der Rückkehr in die Schweiz falle ihr auf, dass den Menschen hier manchmal der «Pfupf» fehle, während die Dienstmädchen in Bolivien trotz allen Erschwernissen eine grosse Lebenskraft ausstrahlen würden. «Davon können wir uns eine Scheibe abschneiden», sagt Moser.
Zum Austausch gehört auch, dass das Buch auch auf Spanisch erscheint. Ausstellungen in mehreren Städten Boliviens sind in Planung. Zudem findet am 14.Juni ein Podium in Liestal statt, an dem unter anderem der ehemalige Kulturminister von Bolivien teilnimmt (siehe Box). Infos: www.dichtermuseum.ch,
mariamagdalenamoser.ch
Podiumsgespräch
Podium «Engagement für eine bessere Welt – können sich Kunst, Wissenschaft und Entwicklungszusammenarbeit ergänzen?» am Dienstag, 14.Juni, 19.30 Uhr, im DISTL, Rathausstrasse 30, Liestal. Maria Magdalena Moser im Gespräch mit Lukas Ott, Soziologe und Stadtentwickler in Basel, und Cergio Prudencio, Komponist und ehemaliger Kulturminister Boliviens.
Moderation: Zita Bauer, Sozialanthropologin, Kulturvermittlerin und Radiomacherin in Bern. Musik: Vientos Andinos.
Eintritt frei, Apéro, Kollekte zur Deckung der Unkosten.