Pfiffiger Vorfasnachts-Start

Liestal Das Rotstab-Cabaret setzt auf traditionellen Fasnachtshumor mit lokalen Themen

Die Rotstab-Tambouren als Fasnachts-Infuencer. Foto: U. Fluri

Die Rotstab-Tambouren als Fasnachts-Infuencer. Foto: U. Fluri

Gestatten, mein Name ist Carl Spitteler.

Gestatten, mein Name ist Carl Spitteler.

Greta besingt den Klimawandel.FotO: U. Fluri

Greta besingt den Klimawandel.FotO: U. Fluri

Nebst gefälliger Fasnachtsmusik und den Schnitzelbänken mit hohem Unterhaltungswert standen die punkto Niveau nicht über jeden Zweifel erhabenen Rahmenstücke – von den Cabarettisten pfiffig frech und mit viel Klamauk inszeniert – in der besonderen Gunst des Publikums. Trotz ganz wenigen Durchhängern mit sprachlichen Aussetzern und typischem Premieren-Groove kam der Auftakt in die Liestaler Bühnenfasnacht gut an und sorgte für viele Lacher. Die Ausgabe 2020 kann sich sehen und hören lassen. Dabei brauchen sich die Rampassen ennet der Hülftenschanz hinter der haute volée der Basler Fasnacht mit ihren professionellen Hauptdarstellern überhaupt nicht zu verstecken.

Carl Spitteler lebt auf

Wie allewyl eröffneten die gastgebenden Pfeifer und Tambouren den Abend musikalisch. Und das mit dem mitreissenden Marsch «Monty» in Kostümen von Zirkusakteuren. Ein erstes Ausrufezeichen war gesetzt. Ebenfalls begeisternd dann der Prolog in Form einer Hommage an Carl Spitteler. Zusammen mit Oskar Bider, dem zweiten grossen Baselbieter, erteilte der perfekt nostalgisch gekleidete Liestaler Nobelpreisträger, alias Thomas von Arx, dem Publikum etwas Geschichtsunterricht. Dabei kam sein Bestseller «Olympischer Frühling» genauso witzig zur Sprache wie die Sicht des Flugpioniers Bider von oben herab auf Liestal. Man machte sich zum 100-Jahr-Jubiläum so seine Gedanken über die heutige Gesellschaft und lästerte über Ungereimtheiten wie etwa über den alten KV-Saal oder das neue Logo der Kantonalbank. Ein starker Auftritt!

In Liestal wächst fasnachtsmusikalisch gutes Holz. Das haben die jungen Rotstäbler mit dem perfekt gespielten Klassiker «Arabi» eindrücklich unter Beweis gestellt. Derweil trumpften die Tambouren akustisch und optisch mit einer Trommelshow auf, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. Auf dunkler Bühne wurden da mit Leuchtschlegeln Lichteffekte auf die Trommeln gezaubert – besser bringt’s keiner aufs Fell.

Den Cabaret-Machern Thomas von Arx, Mike van Epple und Barbara Kleiner mit OK-Chef Dieter Epple gelingt es immer wieder, den Humor-Nerv der «normalen Leute» zu kitzeln. Das kam denn auch in den Rahmenstücken thematisch gut zum Ausdruck. So musste die neu eröffnete Altersresidenz Tertianum im Sketch «Wo hesch s Gebiss?» herhalten, um sich mit zünftig übertriebem Spott aufs Korn nehmen zu lassen. Das taten die Cabarettisten wie immer in ständigem Klamauk mit viel schauspielerischer Komik und Klasse. Dabei kam das Veralbern der alten Leute eigentlich lustig und witzig daher. Wenn aber der 90-jährigen Rosa zum Geburtstag ein Vibrator geschenkt wird, mag das eine Männerrunde am Biertisch vielleicht amüsant finden, an einem öffentlichen Anlass sind solche Anzüglichkeiten aber unter der Gürtellinie einzuordnen und gehen am guten Geschmack vorbei.

Zoff im Netz

Die sieben Witzbolde nahmen sich natürlich auch dem Thema Klimawandel an. Als wilde Tiere in der Wüste haben sie im Stück «Dr neu Leu» in originellen Gags, zwar etwas holprig und mit wenig Pointen, die Öko-Queen Greta heraufbeschworen. Sie erschien dann auch mit einer Horde von Protestlern und gab kräftig singend zusammen mit den Wüstentieren eine prächtige Kulisse ab. Gut gebrüllt, Löwe! Nicht brüllend, dafür wuchtig schränzend hat dann die Guggemuusig Lupo-Rueche die Bühne in Beschlag genommen und mit fetzigem Sound das Baselbieter Lied geschmettert. Die Hütte hat gekocht! Für wesentlich feinere Töne haben die Rotstab-Pfeiferinnen gesorgt. In Pferdekostümen gekleidet gaben sie unter dem Dirigat des englischen Instruktors Paul Wilman den «Rossbolle» zum Besten – ein Ohrenschmaus! Genauso wie der «Lord of the Dance», bei dem der Stamm die Bühne pfeifend, trommelnd und tanzend in eine irische Szenerie verzauberte.

Im Rahmenstück «Zoff im Netz» haben die Rotstäbler sich selber auf den Arm genommen. Da suchte nämlich der Tambourmajor in nervigen Handy-Gesprächen mit Cliquenmitgliedern krampfhaft nach einem Sujet für die diesjährige Fasnacht. Dabei haben die Cabarettisten als Vertreter von Google, Wikipedia, Instagram und Facebook wegen den Eintragungen aus Liestal die digitalen Medien in ein Riesenchaos gestürzt und alles durch den Kakao gezogen, was irgendwie mit dem Internet zu tun hat. Sackstark!

Für den ultimativen finalen Rausch sorgten wie immer die Stedtlisingers in ihrem allmählich ausgeleierten, aber immer noch eleganten Frack-Outfit. Das ulkige Septett, allesamt begnadete Sänger und Schauspieler mit dem Gespür für witzige Choreografien, hat die Gabe, sich über allerlei Ärgernisse in pfiffigen Pointen lustig zu machen, und das verpackt in bekannte Songmelodien. So haben sie über die Patrouille Suisse und das gendergerechte Verbot der «Maitlibei» genauso gelästert wie über die Posse mit der Fahne an der weissen Fluh. «Johrelang hängt si dört – kei Sau het die Fahne jemols gschtört!»

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