«Pädiatrie muss aufgewertet werden»

KTK Die Kindertagesklinik Liestal wächst: Das Konzept findet Anklang bei Patient/-innen und Ärzt/-innen  

Ein kleiner Teil des Teams der Kindertagesklinik Liestal: Jérome Schmidlin, Ärztlicher Leiter Pädiatrie; Johannes Mayr, Professor für Kinderchirurgie; KTK-Mitinitiant Roman Vettiger (v. l.).Fotos: M. Schaffner

Ein kleiner Teil des Teams der Kindertagesklinik Liestal: Jérome Schmidlin, Ärztlicher Leiter Pädiatrie; Johannes Mayr, Professor für Kinderchirurgie; KTK-Mitinitiant Roman Vettiger (v. l.).Fotos: M. Schaffner

Die bunte Einrichtung und Malereien sorgen dafür, dass sich die Kinder wohl fühlen.

Die bunte Einrichtung und Malereien sorgen dafür, dass sich die Kinder wohl fühlen.

Kinderarzt Jérome Schmidlin hat sich vor gut einem Jahr entschieden, an der Kindertagesklinik Liestal (KTK) zu arbeiten. Der Ärztliche Leiter Pädiatrie gehört zur jüngeren Ärztegeneration, die in der Institution im Oristal tätig sind. Seine Wahl fiel auf die KTK, weil ihm das Setting gefiel, «vor allem der Austausch mit erfahrenen Kollegen.» Der Weg, eine eigene Praxis zu eröffnen und die ganze Verantwortung allein zu tragen, wäre der falsche gewesen, ist er überzeugt. Modelle wie die KTK seien hingegen die Zukunft: «Hier sind wir ein Team», betont Jérome Schmidlin. Die Kosten würden sich besser verteilen, Ausfälle könnten besser kompensiert werden und die Work-Life-Balance sei ausgewogener.

George Hook hat eigentlich schon das Rentenalter erreicht, arbeitet aber seit sieben Jahren im KTK-Team mit – nach über 40 Jahren im Beruf fühlt er sich verpflichtet, den nachfolgenden Stamm aufzubauen. Und es mache einfach Spass, hier zu arbeiten, fügt er hinzu. Vorher habe er lange Zeit in Deutschland gearbeitet und teilweise 50 bis 60 Kinder pro Tag behandeln müssen. «Die Zeit, die wir für die Patienten aufbringen können, ist hier wesentlich besser», stellt George Hook fest. «Ich kann eine halbe Stunden mit Patienten verbringen und gut planen, was an Therapien und Massnahmen notwendig ist.» Zudem sei an der KTK alles vorhanden, von der Röntgenabteilung über EKG und Ultraschall bis zur Notfallabteilung inklusive Kinderchirurgie.

Eine Frage der Philosophie: Ärzte nehmen sich Zeit

Wie in der Hausarztmedizin oder in der Gynäkologie besteht auch im Fachgebiet Pädiatrie ein Mangel an Ärztinnen und Ärzten. Roman Vettiger, Mitinitiant der KTK, ist deshalb stolz, dass sich jetzt neben dem erfahrenen, langjährigen Team auch die jüngere Generation einbringt. Vor einiger Zeit hat sich die KTK umstrukturiert und in der Folge das Team verstärkt und verjüngt.

«Ich denke, wir machen hier etwas sehr Sinnvolles», sagt Jérome Schmidlin. Die KTK widme sich der Basispädiatrie, die es sicher brauche, biete aber auch Leistungen an, die den Rahmen der umliegenden Praxen sprengen würden. «Wir haben den Luxus, uns Zeit zu nehmen», so Jérome Schmidlin. Es sei auch eine Frage der Philosophie: nicht nur auf Gewinn arbeiten zu müssen, sondern für die Sache. Das müsse sich mit dem wirtschaftlichen Überleben nicht beissen – anders als in manchen Praxen, in denen wenig Raum vorhanden sei, wenn etwas mal länger dauere als geplant.

Die Administration sei so konstituiert, dass sich die Ärzte effektiver um die ärztlichen Themen kümmern könnten, ergänzt Roman Vettiger: «Es ist ein Erfolgsrezept, das für alle Beteiligten stimmt.» Mit den vorhandenen Tarifen sei es zudem möglich, die Basisdienstleistungen vernünftig zu finanzieren. Und auch die Politik habe erkannt, dass das Konzept der KTK ein Weg in die Zukunft sei, meint Roman Vettiger.

Die KTK als Vorzeigeprojekt für die Region

Damit bezieht er sich unter anderem auf eine Interpellation von 2022. «Im Raum Liestal ist die KTK neben hausärztlichen und pädiatrischen Praxen und dem KSBL (Kantonsspital Baselland) ein wertvoller Anbieter ambulanter, kindermedizinischer Leistungen», schrieb der Regierungsrat in seiner Antwort. «Die KTK ist in Liestal zu einem Vorzeigeprojekt geworden, das darf man klar sagen», kommentiert Roman Vettiger.

Dass das Echo positiv sei, sehe man auch an den steigenden Zahlen, sagt Jérome Schmidlin – 2022 wurden knapp 10000 ambulante Konsultationen durchgeführt, Tendenz steigend. Auch aus Allschwil, Reinach und den angrenzenden Kantonen kämen die Eltern und Kinder nach Liestal: «Vor allem am Wochenende und an Feiertagen wissen sie, dass sie nicht ewig auf einen Termin warten müssen.»

Pädiatrie ist mehr als ein Anhängsel der Erwachsenenmedizin

Generell plädiert Roman Vettiger dafür, dass das Image der Pädiatrie aufgewertet wird: «Es ist die wichtigste Medizin, denn 50, 60 Jahre hängen hintendran.» Zur Bedeutung der Kindermedizin habe auch die Technik beigetragen. Dank ihr könnten Probleme früher erkannt und in frühen Stadien behandelt werden.

Laut Jérome Schmidlin würden heute jedoch über 50 Prozent der Kinder durch Erwachsenenärzte beurteilt, was suboptimal sei. Pädiater besässen ein spezielles Wissen und seien einen anderen Umgang mit Kindern gewohnt.

Damit sich die Kinder wohl fühlen, sind die Räume in der KTK kinderfreundlich eingerichtet. Die bunten Malereien an den Wänden sind bei den jungen Patienten sehr beliebt, wie Roman Vettiger feststellt. Auch das Pflegeteam sei speziell für den Umgang mit Kindern ausgebildet, bemerkt Jenny Vettiger, Mitglied der Geschäftsleitung.

Eine Filterstation für die Notfallversorgung

Handlungsbedarf sieht Jérome Schmidlin bei der künftigen Organisation der Notfallversorgung in der Region. Er ist Mitglied der Notfallgruppe Nordwestschweiz, an der auch das Universitäts-Kinderspital (UKBB) beteiligt ist, und sieht in der KTK ein ideales Lösungmodell: Die KTK erfülle eine Überlauffunktion, wenn die regionalen Praxen voll seien – die übrigens an zwei Händen abzählbar sind – und entlaste das UKBB, weil sie eine «Filterstation» und Anlaufstelle für kleinere Notfälle wie Husten, Ohrenweh oder Bauchweh sei.

Jenny Vettiger erwähnt speziell den Vorteil für Patienten aus dem oberen Baselbiet: Es sei einfacher, nach Liestal zu fahren, und wenn ein Kind nach der Anamnese am KTK dann doch ans UKBB müsse, seien die Informationen bereits geflossen, wenn es dort ankomme. «Das ist für die Patienten sehr effizient», sagt Jenny Vettiger.

Neben der Grundversorgung bietet die KTK weitere Dienstleistungen an, wie Beratungen oder Ultraschallabklärungen. Dank bisherigen und neu dazugekommenen Ärzten können zahlreiche Spezialgebiete abgedeckt werden. Ein Neuzugang im über zwölfköpfigen Ärzteteam ist beispielsweise Johannes Mayr, Facharzt für Kinderchirurgie, der als Professor an der UKBB tätig ist.

«Wir Ärzte finden hier einen fruchtbaren Nährboden vor, weil die Strukturen so konzipiert sind, dass wir gut arbeiten können», fasst Jérome Schmidlin zusammen.

www.kindertagesklinik.ch

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