Grünes Schulzimmer macht Biodiversität erlebbar
Schulgarten am Gym Liestal Esther Derungs erhält den Naturschutzpreis 2024 von Pro Natura Baselland
Esther Derungs ist seit 1998 am Gymnasium Liestal als Gärtnerin angestellt. Als sie den Schulgarten übernommen hat, war dieser völlig verwildert und mit Neophyten übersäht. Was sie daraus gemacht hat, ist bemerkenswert: Heute ist die «grüne Oase» hinter den grauen Betonbauten ein Vorzeigeprojekt für naturnahe Gartengestaltung, in dem sich unter anderem die Ringelnatter, die Blindschleiche, das Tagpfauenauge oder der Grünspecht wohlfühlen. Andere Schulen und Kindergärten lassen sich von diesem Schulgarten inspirieren, externe Organisationen führen hier Kurse durch, Besucher/-innen geniessen ihn als Erholungs- und Erlebnisraum im Quartier, Schüler/-innen finden hier etwas Ruhe in den Unterrichtspausen, und natürlich dient der Garten als «grünes Schulzimmer» für den Biologieunterricht, aber auch für das bildnerische Gestalten. Ausserdem liefert er Schnittblumen für schulinterne Anlässe.
Für dieses Werk ist Esther Derungs vergangene Woche mit dem Naturschutzpreis 2024 von Pro Natura Baselland geehrt worden. An einer sympathischen Feier, die dank des schönen Wetters draussen stattfinden konnte, würdigten zahlreiche Gäste aus Naturschutz, Schule, Politik und Kantonsverwaltung ihr Engagement. Besonders freute sich Esther Derungs, die neben ihrer Arbeit am Gymnasium religionspädagogischen Unterricht an der Primarschule gibt und mit ihren Schüler/-innen viel singt, über die Darbietungen der Musikklasse 1M von Luzian Graber.
Ihr Augenmerk gelte dem Erhalt und der Entstehung von möglichst vielfältigen Lebensräumen auf kleinstem Raum, erzählte Esther Derungs. Im Schulgarten gebe es eine vielfältige Flora und Fauna zu entdecken: Tümpel, Asthaufen, Trockenmauern, Blumengarten, Hecken, Wildstauden, das Wildbienenhotel und der Schulhauskompost zögen viele Tierarten an.
Ein Grossteil des Aufwands besteht laut Esther Derungs darin, «die Vegetation in Schach zu halten», also Stauden an Ausbreiten zu hindern und Neophyten zu entfernen. Biodiversität zeigt sich auch in gut versteckten Kleinflächen, die vor jeglichem Zugang geschützt werden. Die schönsten Orchideen befinden sich übrigens auf den Schulhausdächern. Nicht nur, weil sie dort in Sicherheit sind, sondern auch, weil der Boden des Gartens zu nährstoffreich für sie ist. Zur Überdüngung würden übrigens auch «Hinterlassenschaften» von Vier- und Zweibeinern beitragen, bemerkte Esther Derungs. Den Besucher/-innen tritt sie jedoch nicht mit Abschottung entgegen, sondern mit einer offenen Haltung, wie Co-Rektor Andreas Langlotz betonte. Sie zeige ihnen die Bedeutung des Schulgartens auf. «Der Einfluss und die ansteckende Begeisterung für ein naturnahes Schulareal ragen über das Gymnasium heraus», meinte auch Natalie Oberholzer vom Naturforum Regio Basel.
Andreas Freuler, Präsident von Pro Natura Baselland, schilderte in seiner Laudatio, wie die in Frenkendorf aufgewachsene Esther Derungs schon in ihrer Kindheit die Liebe zur Natur entdeckt hat und schon früh für die Umwelt sensibilisiert wurde. Ihre heutige Tätigkeit sei auch ein Kampf gegen ästhetische Normen, Sauberkeitsideen und bestimmten Vorstellungen, wie eine Schulhausumgebung auszusehen habe, die aus Naturschutzsicht nicht immer nachvollziehbar seien. In den Worten von Esther Derungs: «Man muss überlegen, was für das Auge wichtig ist, damit sich die Besucher wohlfühlen, aber auch, was für die Tiere und Pflanzen stehen gelassen werden muss.»
Der Garten ist ferner ein Experimentierfeld für eine Vegetation, die mit der Klimaerwärmung zurechtkommt. Beispielsweise lässt sich damit experimentieren, wie sich Wiesen und Stauden entwickeln, wenn man sie nicht giesst. Andreas Freuler erwähnte in diesem Zusammenhang, dass wir uns nicht nur in einer Klima-, sondern auch in einer Biodiversitätskrise befänden und beides nicht gegeneinander ausspielen sollten.
Pro-Natura-Co-Geschäftsführer Thomas Zumbrunn wies auf die zunehmende Bebauung hin. Der ökologische Ausgleich beruhe bisher auf Freiwilligkeit und auf guten Beispielen – wie auf demjenigen der Preisträgerin.
Ueli Meier, Vorsteher des Amts für Wald, der Esther Derungs seit Kindheitstagen kennt, sprach die Praxis an, dass Schüler/-innen zur Strafarbeit, als sogenannte «Arrestant/-innen», in den Schulgarten geschickt würden. Er plädierte für einen Perspektivenwechsel: «Alle mit einem Sechser sollten zur Belohnung im Garten arbeiten dürfen!»