Grenzsteinkontrolle zu Corona-Zeiten
Liestal Christian Allemann (2.Rotte) berichtet in der «ObZ» von seinem Bannumgang
Als offiziell bekannt wurde, dass der Banntag nicht stattfinden wird, fragte ich mich: «Wer geht jetzt den Bann ab und macht die Grenzkontrolle?» So beschloss ich bei schönstem Aprilwetter, diesen Männertag trotz allem abzuhalten und zwar, da Gruppen nicht erlaubt sind, ganz alleine. Ich hatte mir vorgenommen, den ganzen Bann an einem Tag abzugehen. Schliesslich werden seit über 600 Jahren traditionsgemäss jährlich alle Grenzsteine kontrolliert.
Es war an einem sehr ruhigen Samstagmorgen im Schwieriquartier, als ich um 8 Uhr startbereit war ohne Rösti mit Spiegelei im Magen, ohne «Maien» am (Sonnen-)Hut, aber mit Stock (nicht geschultert) und Rucksack (mit zwei Wasserfläschli, zwei Bananen, einem Sandwich und einem Leibchen zum Wechseln); es war ja kein Mittagshalt in einem Restaurant möglich. Dass es kein normaler Banntag war, zeigte sich schnell: keine Pfeifer und Tambouren, keine Schützen mit Vorderlader waren da, kein Törli-Glöggli läutete und beim Abmarsch winkten mir auch keine Frauen zu. «Jä nu, es isch halt so, scho speziell», und ich machte mich auf den Weg in Richtung «Gspält» im Oristal zum Startpunkt des Bannumgangs, wobei ich den Weg im Uhrzeigersinn wählte. «Will ich mir das wirklich antun?», sagte ich mir noch, bevor es los ging.
Nach dem Foto des ersten Grenzsteines beim «Curryhus» bog ich in das Brunnebachtäli ein. Nebelschwaden (keine Rauchschwaden) und Vogelgezwitscher begleiteten mich hinauf in Richtung Munifeld, wo ich ein Reh beim Äsen beobachtete. Ohne administrativen Halt, ohne Singen der Lieder («Des Jägers Abschied», «Im schönsten Wiesengrunde»; ich summte still vor mich hin) kam ich zum ersten Znünihalt! «Wo sind sie denn geblieben, all die Banntägler-Kollegen?». Ein Schluck Wasser anstelle eines Muff (vier Deziliter Wein, meistens gespritzt) stillte den ersten Durst, bevor ich den ruhigen Ort verliess zum Riffelgraben. Diese schwierige Passage war nach kurzem, seriösem Halt problemlos zu bewältigen.
Vorbei am Bad Schauenburg und dem Bienenberg wählte ich stets möglichst genau die Grenzlinie gemäss meiner Karte. So waren kleinere Abkürzungen durch Wald und Wiesen nicht zu vermeiden; ich wollte ja unbedingt viele Grenzsteine überprüfen. Vorbei an Menschen, mit zwei Meter Abstand Schlange stehend vor den Lebensmittelläden, gings dann im Schöntal auf der anderen Seite der Ergolz über viele Stufen die Treppe hinauf. Da machten sich meine Wadenmuskeln schon bemerkbar. Vorbei an neuen, zünftigen und bestehenden Rebbergen im Üetental stand der Anstieg zum höchsten Punkt des Banns bevor. Da die Deponie Elbisgraben geschlossen war, musste ich mir einen Umweg durch den Wald suchen um dann wieder dem Grenzverlauf (mit Arisdorf) zu folgen. Plötzlich flüchteten zwei Rehe vor meinen Augen zurück in die Nachbargemeinde.
Der zweite und dritte Znünihalt (Dreilaufbueche und unten am Grammet) waren ebenfalls geprägt durch Stille und gähnende Leere. Ein wenig Banntagstimmung kam auf, als mir bei diesen Trinkpausen jeweils ein paar Gedanken von früheren Banntags-Erlebnissen durch den Kopf gingen.
Beim Altmarkt wählte ich einen Weg durch «fremdes» Gebiet (Lausen), um möglichst grenznah zu bleiben. Nach dem Anstieg zum Galms traf ich auf der Höchi auf den Dreigemeinde-Grenzstein mit den Wappen Bubendorf, Lausen und Liestal.
Zum Glück führte mich der Weg dann wieder etwas abwärts in Richtung Neuhof (Bad Bubendorf musste ich ja auslassen) den Grenzsteinen folgend. Jetzt noch ein Berg, der Seltisberg; er kam mir vor wie ein Berg in den Alpen. Ich vereinte noch einmal alle Kräfte, mit dem Ziel, den vierten Znüniplatz «Uf Berg» zu erreichen. Die Freude war dann gross, als ich dort einen Ort antraf, welcher sehr schön hergerichtet wurde mit neuen Bänkli und Jungbäumen (ein Besuch ist empfehlenswert).
Nach dem letzten Schluck (Flasche leer) folgte der Abstieg zum Start/Endpunkt des Banns im Oristal. Von da nach Hause waren es noch ein paar zähe Meter…
Ohne Fahnenabgabe, ohne Singen des Baselbieterliedes kam ich mit müden Beinen, aber klarem Kopf von meinem Banntag zurück. Anstatt der üblichen Pintenkehr im Stedtli durfte ich ein Bier aus dem Keller geniessen.
Es war ein toller Tag um den Bann in der Lieschtler Natur. Es geht doch; aber vermisst habe ich ihn schon, den traditionellen Banntag, die Geselligkeit, die Gespräche, die Gesänge, die Garnitur (Banntagswurst mit Muff) bei den Znünihalten und unterwegs! So freue ich mich wieder auf einen Banntag 2021, wie gewohnt, wenn viele Banntägler mit mir zusammen die Grenzsteinkontrolle vornehmen werden.
Angaben zu meinem Bannumgang: Länge: ca. 27,5 Kilometer plus vier Kilometer von daheim zum Bann und zurück, plus 1000 Höhenmeter. Höchster Punkt: Schürholden (600 m), Tiefster Punkt: Schöntal (293 m). Dauer: 8,5 Stunden (inbegriffen vier Znünihalte). Grenzsteine: 60 habe ich fotografiert. Ich vermute, total sind es etwa 150; diese zu überprüfen überlasse ich aber anderen verrückten Banntäglern… oder den zuständigen Stellen…
Christian Allemann (2.Rotte)