Freundlichkeit beginnt beim Parkieren

Liestal Nur noch eine Stunde Parkzeit im Stedtli, und das für vier Franken? Eine Petition kämpft gegen das neue Regime

Fabrice Bütler, Marcel Haldi und Martin Spiess (v.l.) haben eine Petition lanciert. Foto: Movepics Glaser
Fabrice Bütler, Marcel Haldi und Martin Spiess (v.l.) haben eine Petition lanciert. Foto: Movepics Glaser

Die Wogen gehen hoch, seit der Stadtrat letzte Woche die neue Verordnung über die Parktarife veröffentlicht hat: «Denn wird ich aber sicher nüm uf Liestel cho ... die Priise, e absoluti Frechheit», empört sich beispielsweise eine Kundin in einem Facebook-Kommentar. Eine Petition fordert nun, dass das bisherige Parkgebührenkonzept beibehalten wird und keine weiteren oberflächlichen Parkplätze abgebaut werden. Das Anliegen findet momentan grossen Zuspruch: Rund 80 Geschäfte in Liestal haben die Petitionsbögen aufgelegt und Hunderte von Personen haben bereits – auch online – unterschrieben. Auch KMU Liestal unterstützt die Petition.

«Freundlichkeit beginnt für den Kunden nicht erst, wenn er den Laden betritt, sondern schon im Kopf, wenn er sich überlegt, wo er einkaufen will», sagt Marcel Haldi, Inhaber der Dream Gallery. Zusammen mit Fabrice Bütler, Bütler Fashion AG, und Martin Spiess, Fotolabor Spiess AG, hat er die Petition lanciert. Das Gewerbe im Stedtli habe Angst vor der Zukunft, betont Haldi: «Teilweise sind die Leute am Verzweifeln und befassen sich mit dem Gedanken, abzuwandern oder zu schliessen.»

Vier Franken für eine Stunde

Worum geht es konkret? Ab 1. Mai fällt einerseits die Gratis-Stunde im Zentrum weg – das betrifft Fischmarkt, Mühlegasse, Wasserturmplatz, Zeughausplatz, Kanonengasse, Büchelistrasse/Rumpel und Stabhof. Neu kostet von 7 bis 19 Uhr die erste halbe Stunde 1.50 Franken, die zweite halbe Stunde 2.50 Franken, total also vier Franken. Mit Apps wie Parking Pay, Easy Park oder Twint kann auch pro parkierte Minute bezahlt werden.

Andererseits darf auf diesen knapp 100 Parkplätzen nur noch eine Stunde lang parkiert werden. Die Stadt will so dem Langzeitparkieren entgegenwirken und die Parkplätze für Kund/-innen frei halten, die nur schnell etwas im Stedtli besorgen wollen. Auf den übrigen Parkplätzen im Stadtgebiet, auch in der «Allee», gilt 1.50 Franken pro Stunde bis zur dritten Stunde, danach drei Franken pro Stunde. Der Stadtrat verweist ausserdem auf die Parkhäuser, in denen in der ersten halben Stunde entweder nach wie vor gratis oder für einen Franken parkiert werden kann. Je nach Parkhaus sind nach Ablauf der ersten Stunde 1.50 bis zwei Franken fällig.

Insgesamt stehen laut Stadtrat rund ums Zentrum mehr als 1000 öffentliche Parkplätze zur Verfügung. Gleichzeitig mit den Tarifen hat er eine Kreditvorlage für ein Parkleitsystem verabschiedet, das den Suchverkehr eindämmen soll, aber frühestens 2023 einsatzbereit ist.

Umsatz fliesst in Umgebung ab

Wer nur schnell in die Bäckerei will, so rechnet das Petitionskomitee vor, muss entweder vier Franken im Fischmarkt zahlen und nach einer Stunde weg sein, oder zwei Franken im Parkhaus Bücheli, und dafür einen weiten Gehweg in Kauf nehmen. Wer Schuhe zum Reparieren bringt und sie am anderen Tag wieder abholt, zahlt insgesamt acht Franken.

Es gehe aber nicht nur um die vier Franken, sondern um die weitere Entwicklung, hält Marcel Haldi fest. In den letzten Jahren seien bis zu 50 Parkplätze verschwunden – das sei Umsatz, der dem Gewerbe fehle und in umliegende Gemeinden abfliesse. 80 bis 90 Prozent der Kunden im Stedtli kämen von auswärts oder von der Peripherie. Eine Studie habe ausserdem gezeigt, dass Gehdistanzen von maximal 200 Meter akzeptiert würden. Sei der Weg weiter, dann kämen die Kunden nicht mehr.

Marcel Haldi sorgt sich um die zunehmenden Geschäftsschliessungen, vom Modegeschäft bis zum Hundeshop: «Das leise Sterben geht weiter.» Das kenne man von anderen Städten, in denen der Zugang durch Verbote erschwert worden sei, wie in Lachen, Laufenburg oder Zofingen. Als positives Gegenbeispiel nennt Marcel Haldi Sissach, wo man vor den Laden fahren und eineinhalb Stunden lang parkieren könne.

Gewerbetreibende sehen schwarz

Im Rahmen eines Interviews mit Radio Basilisk wurden einige Gewerbetreibende im Stedtli befragt. Es tönt überall ähnlich: Nach der Pandemie sei es sowieso schwierig zu überleben, und nachdem man nun Licht am Ende des Tunnels sehe, komme bereits das nächste grosse Problem, sagt Enrico Lamano vom Angolo Dolce. Von Kunden habe er gehört, dass sie fernbleiben würden, wenn sie nur noch eine Stunde parkieren könnten und dafür vier Franken zahlen müssen, etwa gleich viel wie für einen Kaffee. «Wir lieben Liestal, aber wenn das Geschäft auf diese Art und Weise gefährdet wird, dann müssen wir uns wahrscheinlich überlegen, ob wir den Standort weiter halten», so Enrico Lamano.

«Es kann einfach nicht sein, dass sie uns eine schöne Rathausstrasse präsentieren und auf der anderen Seite buchstäblich das Wasser abgraben», kritisiert Marianne Weber-Sutter von Thürig Uhren Bijouterie. Paul Finkbeiner von der Bäckerei Finkbeiner spricht von «Wucher» und befürchtet, dass die Umsatzeinbussen Entlassungen nötig machen. Es sei zu erwarten, dass die Kundschaft in die umliegenden Einkaufszentren ausweiche, die in den letzten Jahren überall entstanden seien. «Das allein ist schon eine verrückte Konkurrenz, und jetzt will man es noch zusätzlich erschweren, dass die Leute motiviert sind, nach Liestal zu kommen», bedauert Finkbeiner.

Marcel Haldi ist sich bewusst, dass die Petition nur eine Bittschrift ist, die dem Stadtrat vorgelegt werden kann – in der Hoffnung, dass er die Verordnung, die in seiner Kompetenz liegt, überarbeitet. Der politische Weg ist zurzeit verschlossen: Der Einwohnerrat hat dem Parkraumkonzept, das den Rahmen vorgibt, nämlich vor einem Jahr zugestimmt. (Die ObZ berichtete.) Haldi ist daher auch ein wenig selbstkritisch gegenüber dem Gewerbe: In der Pandemie sei es mit anderem beschäftigt gewesen und habe zu wenig auf solche politischen Prozesse geachtet. Weitere Infos zur Petition auf Facebook unter «Stedtli Liestal»

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