Eine erfüllte Stunde voller Hoffnung

Liestal Das Ensemble ApérOhr spielte mit Désirée Meiser in der Kulturscheune

Désirée Meiser überzeugte mit Gesang und Mimik.Fotos: A. Jegge

Désirée Meiser überzeugte mit Gesang und Mimik.Fotos: A. Jegge

Das Ensemble ApérOhr fand in Désirée Meiser eine kongeniale Schauspielerin und Sängerin.

Das Ensemble ApérOhr fand in Désirée Meiser eine kongeniale Schauspielerin und Sängerin.

Wir schreiben das Jahr 1917. Eine kleine Gruppe von Dichtern und Musikern nimmt die Oktoberrevolution zum Anlass für neue Projekte. Bert Brecht, Hanns Eisler, Kurt Weill und Paul Dessau verarbeiten dieses Ereignis mit viel Hoffnung. Jahre später ziehen sie Bilanz – und sind vom Leben und seiner Unzulänglichkeit gezeichnet. Bert Brecht schreibt im Exil das Gedicht «An die Nachgeborenen» und Hanns Eisler vertont dessen zweiten und dritten Teil.

Wir schreiben das Jahr 2020, während der zweiten Corona-Welle, und haben auch jetzt vor allem eins – Hoffnung. Die Schauspielerin und Sängerin Désirée Meiser setzt in der Vergangenheit ein und beginnt zusammen mit dem Ensemble ApérOhr (Christoph Bösch, Flöte; Toshiko Sakakibara, Klarinette; Consuelo Giulianelli, Gesang, Harfe; Maurizio Grandinetti, Gitarre/Banjo). Sie rezitiert den ersten Teil des brechtschen Gedichts und singt die Eisler-Version zusammen mit dem Ensemble. Rasch wird klar, dass der Text, wie alle später aufgeführten auch, nichts von seiner Aktualität verloren hat – «leider», wie Désirée Meiser sagt.

Draussen ist Herbst, und in der Kulturscheune auch. Brechts «Lied vom kleinen Wind» nimmt den Zwiespalt auf, es ist Ernte aber der Sommer zu Ende, leichte Wehmut weht durchs Gedicht. «Die Ballade vom Wasserrad» nimmt das Bild des Schicksalsrades, wie wir es vom Basler Münster kennen, auf und deutet es in die eigene Zeit um. «Das Lied vom ertrunkenen Mädchen» wird zu einer Parabel für die Endzeit, die schicksalserhaben beschrieben wird. Désirée Meiser zeigt bei ihrem Vortrag, welche Klasse sie in diesem Genre besitzt. Beim Singen unterstützt sie mit Mimik und kleinen Gesten den Text und setzt so kleine Schwerpunkte. Sie war der herausragende Höhepunkt des Nachmittags.

Nach so viel Dunkelheit spielte das Ensemble eine Serenata von Erwin Schulhoff, einem fast vergessenen Komponisten, der 1943 in der Internierung starb. Die Zusammensetzung des Ensembles fordert auch eigene Arrangements. Der Gitarrist Maurizio Grandinetti arrangierte alle Stücke für das Ensemble und es gelang ihm, sie damit in die Jetztzeit zu transponieren, so dass jeglicher Historizismus fehlte und alles sehr spannungsvoll klang. Das Ensemble beherrschte in eindrucksvoller Weise sämtliche Möglichkeiten des Musizierens: Leise gehaucht oder fordernd forte, die vier Musikerinnen und Musiker glänzten mit hohem Können.

Im zweiten Teil des Programms nahm die Musik die Herbststimmung wieder auf und lenkte mit dem Chanson «Les feuilles mortes» von Joseph Kosma das Augenmerk auf das Thema Liebe. Bei Brecht ist sie zwar verhandelbar, er gibt sie aber trotzdem nie auf. Auch in der Liebe gibt es Niederlagen, doch selbst dann glauben die Menschen weiter an sie und geben die Hoffnung nicht auf. Kurt Weill setzte dies in seinem französischen Chanson «Youkali» um mit dem Resumé, dass er nur geträumt habe.

Wenig Zweifel aber hatte Jacques Brel, mit dem die Aufführung musikalisch endete. In «Les vieux amants» besingt er die Hoffnung, dass jede Liebe ein Leben lang halten soll und mit «Quand on a que l’amour» sagt er am Schluss «Alors sans avoir rien que la force d’aimer, nous aurons dans nos mains, Amis, le monde entier», wenn wir nichts Anderes haben, als die Kraft zu lieben, dann haben wir, Freunde, die ganze Welt in unseren Händen. Mit dem Epilog aus Brechts «An die Nachgeborenen» setzte Désirée Meiser die Klammer um einen eindrücklich hoffnungsvollen Nachmittag.

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