Ein Theatertraum auf Zeit geht in Erfüllung

Liestal/Basel Der Liestaler Puppenspieler Michael Huber hat ein temporäres «Pup-up-Theater» beim Basler Bahnhof eröffnet  

Das «Pup-up-Theater» ist für Michael Huber ein Experiment.Foto: Heiner Grieder
Das «Pup-up-Theater» ist für Michael Huber ein Experiment.Foto: Heiner Grieder

«Pop-up» bezeichnet Läden, Bars oder Restaurants, die quasi aus dem Boden hervorschiessen («hervorpoppen») und für kurze Zeit als Zwischenmieter eine ungenutzte Liegenschaft bespielen. Wenn nun ein Puppenspieler ein solches temporäres Etablissement eröffnet, wird daraus logischerweise ein «Pup-up». Der Liestaler Kleinkünstler Michael Huber hat diesen lang gehegten Wunsch diesen November verwirklicht: Bis April 2021 tritt er mehrmals wöchentlich im eigens eingerichteten Figurentheater an der Inneren Margarethenstrasse 28 in Basel auf.

Eigentlich ist Michael Huber fest in Liestal verwurzelt: Die Mehrheit seiner Produktionen starten im Theater Palazzo, wo er ein treues Stammpublikum hat. Auf seinen Tourneen, die ihn durch die Schweiz, ins Grenzland und an Theaterfestivals im Ausland geführt haben, schlägt er aber sein Zelt jedes Mal an einem anderen Ort auf. Was für den Puppenspieler nicht unbedingt Vorteile hat, denn der Saal, die Akustik, die Lichtverhältnisse, die Atmosphäre sind immer anders – die Konstanz fehlt. Je mehr er auf wechselnde Rahmenbedingungen eingehen muss, desto weniger kann er sich um das eigentliche Spiel kümmern. Und das wächst, je besser er seine Figuren, seine Stücke und die erwarteten Reaktionen des Publikums kennen lernt. Das Improvisieren und Ausprobieren sei zwar auch interessant, meint Michael Huber. «Aber weniger interessant als die Konzentration aufs Spielerische innerhalb eines Settings.»

Als Puppenspieler wolle er möglichst reduzieren, führt Huber aus. Wenn er zehn Mal am selben Ort spielen könne, wisse er, wo er die Stimme zurücknehmen, sich in der Heftigkeit und Dramatik beschränken könne, aber so, dass das Publikum trotzdem noch mitkomme. «Je unklarer die Verhältnisse sind, desto mehr muss ich schauen, dass das Publikum etwas sieht und hört, und das gibt den Impuls, dass man übertreibt.» Wenn er länger am selben Ort spiele, gewinne das Stück an Sensibilität und Genauigkeit.

Das «Pup-up-Theater» bietet somit die Chance, Puppenspiel unter bestmöglichen Bedingungen zu erleben. Normalerweise hätten 50 Personen Platz, mit Abstand etwa 30. In einem solchen familiären Setting fühle man sich nicht verloren, auch wenn der Saal nur zu Hälfte gefüllt sei. Aber das seien sowieso Aspekte, die nur uns Erwachsene beträfen, stellt Michael Huber fest. «Kinder akzeptieren es einfach, finden es interessant, oder blöd, oder wundern sich.»

«Frei, so viel zu spielen wie ich will»

Von Mittwoch bis Sonntag sind die Vorstellungen öffentlich, an Wochentagen finden Extravorstellungen für Schulklassen statt. Das Programm wechselt monatlich: Im November stand das neue Stück «Wo isch dr Schatte?» (Premiere im Palazzo, die «ObZ» berichtete) auf dem Spielkalender, ab dem 2.Dezember spielt Michael den «Stivalino» (Regie: Margrit Gysin), seine Version des «Gestiefelten Katers». Es sei zwar keine Weihnachtsgeschichte, sie passe aber trotzdem gut in die Jahreszeit. Fest steht auch schon das Abschlussstück im April, eine Inszenierung nach dem Bilderbuch «Lupinchen» von Binette Schroeder. Was dazwischen kommt, insbesondere während der Fasnachtszeit, ist noch offen – Michael Huber geniesst die Freiheit, nicht von Mitproduzenten abhängig zu sein.

Auch ob an einem Tag viele oder weniger Zuschauer/-innen kommen, spielt für ihn zurzeit nicht so eine Rolle. Wenn gar niemand auftauche, trinke er einen Kaffee und freue sich darüber, dass alles schon für den nächsten Tag parat sei. «Da ich die Räume sowieso habe und das Theater aufgebaut habe und niemanden zahlen muss, der assistiert, kann ich so viel spielen, wie ich will», sagt der Kleinkünstler. So einen Raum habe er schon lange gesucht. Die Lage sei ideal, gegenüber der Markthalle, in wenigen Minuten vom Bahnhof aus erreichbar. Baselbieter Schulklassen, die mit der S-Bahn kämen, könnten direkt vom Gleis auf die Margarethenstrasse-Brücke gelangen und so den ablenkenden Rummel der Bahnhofhalle vermeiden. Auf dem Land wiederum, in Liestal oder auch nur schon ausserhalb der Stadt, wäre es nicht möglich, ein tägliches «Pup-up-Theater» zu betreiben.

Neben Schulklassen will Michael Huber vor allem Familien ansprechen, und das ist durchaus im Sinn von «alle Generationen» gemeint. Kein Kind wolle etwas, das «speziell für Kinder» gemacht sei, sondern es wolle etwas, das es auf seinem Weg ins Erwachsenwerden begleite. Und die Erwachsenen hätten ihrerseits nie aufgehört, Kind zu bleiben, sinniert Huber.

Ein Jahr bis zum fertigen Stück

2015 hielt Michael Huber eine Retro-spektive auf sein damals 30-jähriges Schaffen. Auch im «Pup-up» spielt er, abgesehen vom «Schatten», frühere Stücke aus seinem Fundus. Die Faszination für ein Stück halte sich meistens. Nur selten, etwa wenn ihn ein Stück überfordere, sei er froh, wenn es vorbei sei. Aber ein neues Stück im Stil von einem bereits bestehenden zu machen, nur damit es neu sei, das käme ihm nicht in den Sinn. So habe er 2015 ein altes Schattenfigurenstück hervorgeholt; den neuen «Schatten» habe er jedoch nicht als Schattenspiel konzipiert, weil er ein solches ja schon hatte. Entstanden sei eher ein «Licht-Spiel».

Die Zeit, die Michael Huber braucht, um ein Stück zur Spielreife zu bringen, beträgt mindestens ein Jahr – gemessen ab dem Punkt, wo die Phase von «es wäre möglich» in die Phase «ich will es machen» wechsle. Als erstes suche er Mitarbeitende, meistens die Regie, dann werde zusammen das Projekt formuliert. Damit eine Finanzierung möglich sei, müsse man eine Vorentwicklung erarbeiten, um anderen Leuten zu präsentieren, was man vorhabe. «Das ist ein Grundkonflikt im Figurentheater, der sich nicht auflösen lässt», führt Michael Huber aus. Für die konkrete Entwicklungsarbeit müsse man Figuren haben, aber um Figuren zu schaffen, müsste man bereits wissen, was sie können müssten, aber das wisse man erst, wenn man sie spiele. In der Auseinandersetzung mit der Regie gehe es dann ums Konkretisieren – ein brauche einfach eine lange Zeit.

Das befristete «Pup-up» sieht Michael Huber als Experiment an. Wenn es gut gehe, sei es gut; wenn es sich als zu anstrengend erweise, dann sei es Ende April einfach fertig. Worum es ihm hauptsächlich geht: «Dass möglichst viele Menschen erleben können, was ich mache.»

Crowdfunding:

wemakeit.com/projects/pup-up

Weitere Infos: www.pup-up.ch

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