Ein Liestaler Dichterwettstreit
Liestal 21. Dichter Slam im Dichter- und Stadtmuseum
Im Mittelalter war ein Dichterwettstreit eine ernste Sache: Minnesänger buhlten um die Gunst eines Fürsten, der ihre Existenz sichern konnte. Im fiktiven Wettstreit des «Sängerkriegs auf der Wartburg» ging es sogar um Leben und Tod. Der heutige Nachfolger des Genres, der «Poetry Slam», ist weniger gravierend – seine Währung ist das Lachen und der Applaus, zu gewinnen gibt es eine Flasche Whisky. Gleich geblieben ist, dass die Teilnehmer mit selbst geschriebenen Texten um die Sympathie des Publikums kämpfen. Der Wettstreit um den witzigsten oder schrägsten Text spornt die (meist jugendlichen) Poet/-innen zu Höchstleistungen an.
Das Publikum des 21.Dichter Slams am 6.Oktober im Dichter- und Stadtmuseum Liestal kann bezeugen, wie vielfältig und spannend so ein Dichterwettstreit sein kann. Sieben Slammerinnen und Slammer hatten sich für die «Liestal edition» hingesetzt und neue Texte über Liestal geschrieben, deren unterschiedliche Themen und literarische Stile ein wahres Feuerwerk an Kreativität ergaben. Dominik Muheim erzählte von den Erfahrungen mit seiner neuen Wohnung, die wegen ihrer Lage an der «Chienbäse»-Route zum Anziehungspunkt für seine Bekannten (und auch viele Unbekannte) wurde. Micha de Roo deutete die historischen Ereignisse der Kantonstrennung in eine amüsante Scheidungsgeschichte zwischen Stadt und Landschaft um – ein Rosenkrieg der besonderen Art. Daniela Dill spielte mit dem Namen Liestal und bildete daraus verschiedene Anagramme. Nebenbei flocht sie eine amüsante Ursprungsgeschichte des «Chienbäse»-Brauchs ein, in der Frau Strübin in Flammen gerät. Caterina John überzeugte mit einem rhythmischen Sprechgesang über die Liestaler Jugend, während Gina Walter die alte Pädagogische Hochschule in Liestal mit dem neuen Campus in Muttenz verglich. Max Kaufmann beschrieb seine Erlebnisse bei der Musterung in der Kaserne, und Nadine Studer reflektierte über Sinn und Unsinn von Google-Bewertungen, zum Beispiel zum Liestaler Bahnhof. Im Finale setzte sich Dominik Muheim schliesslich mit einem Text über den Alltag eines Künstlers zwischen Ruhm, Realität und Konfitüreschnittchen durch.
Der Abend war ein grosser Erfolg und komplett ausverkauft. Da das Covid-19-Schutzkonzept des Museums nur eine Besetzung von 60 Prozent erlaubt, mussten leider zahlreiche Anfragen abgewiesen werden. Wer den Slam verpasst hat, hat jedoch ab Januar/Februar 2022 Gelegenheit, ausgewählte Auftritte als Videos in der neuen Dauerausstellung des Dichter- und Stadtmuseums zu sehen.
Rea Köppel, Dichter- und Stadtmuseum