Der älteste Bezirk in der Liestaler Altstadt
Liestal Der Kirchhofplatz kann auf eine lange Geschichte zurückblicken
Die historische Altstadt von Liestal ist auf einem Terrassensporn angelegt zwischen Ergolz und Orisbach. Es wird vermutet, dass sich auf dem höchsten Punkt des Sporns ein römisches Bauwerk erhoben hat, wo um die Mitte des 8. Jahrhunderts die erste fränkische Kirche – Martin von Tours geweiht – errichtet worden ist.
In einer weiteren Bauperiode – wahrscheinlich im 13. Jahrhundert – wurde das Kirchenschiff verlängert, welches nach dem Erdbeben von 1356 wieder verkürzt wurde. Gleichzeitig entstand im Westen ein Turm, welcher 1619 wegen Baufälligkeit abgebrochen wurde. Der neue Turm entstand zwischen Schiff und Chor auf der Südseite. Die Stadtkirche von Liestal ist eine der grössten Spätgotischen Kirchen des Kantons. Auch ist im Kanton kein vergleichbarer grosser Chor zu finden.
Die Architektur der Kirche und die zahlreichen auf die interessante Baugeschichte hinweisenden Details geben ihr den Charakter einer grossen Stadtkirche, die als historisches und kunsthistorisches Dokument die Geschichte der Stadt widerspiegelt.
Die Kirche von Liestal liegt innerhalb eines beinahe quadratischen Häuserrings, der den früheren Kirchhof umschloss, in diagonaler Richtung.
Wir dürfen festhalten, dass der Kirchhof bereits vor der eigentlichen Stadtgründung Liestals durch die Froburger anfangs des 13. Jahrhunderts bestanden hat. Leider gibt die erstmals urkundliche Erwähnung unserer Stadt von 1189 keine nähere Auskunft. Allerdings: Die Urkunde des Klosters Schöntal, die einen «vilicus» also einen Meier «de Lihstal» nennt, wurde zurückdatiert, also gefälscht. Trotzdem haben wir 1989 das grosse Stadtjubiläum «800 Jahre Liestal» gefeiert.
Wie erwähnt, kann der Kirchhof auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bis 1576 diente er als Gottesacker, also Friedhof, ehe er an die Ecke Kasernenstrasse/hohle Gasse (heute Burgstrasse) verlegt wurde.
Ebenfalls auf dem Kirchhofplatz befand sich das sogenannte Beinhäuslein, wo – wie der Name sagt – Gebeine aufbewahrt wurden. Die Götterverehrung durch die Menschen im Mittelalter war anders als heute.
Wenn alte Bewohner des Kirchhofes noch bis vor kurzer Zeit sagen: «ich gang s’Brächt uf!» so meinten sie den südlichen Zugang von der Rathausstrasse her. Im Kirchhof soll angeblich im Mittelalter ein Brächtrad respektive Richtrad gestanden haben. Das war eine weit verbreitete Hinrichtungsform.
Aus dem römischen Kastell wird eine Stadt
Wie eingangs festgehalten, soll vor bald 2000 Jahren im Gebiet der heutigen Stadtkirche vermutlich ein römisches Kastell erbaut worden sein, und zwar zur Bewachung des Weges über die Hauenstein-Übergänge. Ob ein römisches Kastell wirklich existiert hat, ist nur eine Vermutung, weil gesicherte Unterlagen fehlen, doch weist vieles darauf hin, dass dies der Fall war, denn der heutige Kirchhof ist untypisch für eine mittelalterliche Siedlung. Er stimmt zudem mit seiner fast rechteckigen Form und seinen vier Zugängen komplett mit spätrömischen Kastellen überein. Das lässt den Schluss zu, dass sich aus einem Kastell eine alemannische Siedlung entwickelt hat, mit einer Kirche aus dem 8. Jahrhundert. Über die – nennen wir sie Kastellgrenze hinaus – wurde mit grösster Wahrscheinlichkeit erst im 12. Jahrhundert gebaut, und zwar der Freihof (heutiges Regierungsgebäude).
Mit der Eröffnung des Gotthardpasses anfangs des 13. Jahrhunderts erkannten die Grafen von Froburg die Wichtigkeit dieses Gebietes und bauten Liestal als befestigte Stadt mit Mauer, Türmen und Toren. Weil der Kirchenbezirk und der Fronhof bereits bestanden, musste bei der Anlage der Marktgasse (heutige Rathausstrasse) sowie der Nebengassen entsprechend Rücksicht genommen werden. Das ist der Grund der etwas komisch anmutenden Form der Altstadt.
Der Kirchhofplatz im Wandel der Zeit
Ein grosser Teil des Häuserringes rund um die Stadtkirche ist vom Aussehen her noch in mittelalterlicher Form erhalten. Einzig auf der Ostseite wurden mit dem Bau des neuen Kirchgemeindehauses in den Jahren 1969 bis 1971 eine massive Veränderung herbeigeführt, wobei bezüglich Architektur die Kleinmasstäblichkeit teilweise übernommen wurde.
Es war anfangs 1969, als die Bagger auffuhren und die alte Häuserreihe zwischen Kirchhof und Rosengasse dem Boden gleich machten. Für einige Monate lang war ein spezieller Durchblick entstanden, weil man von der Rosengasse her den Kirchhof bestaunen konnte und umgekehrt. Am 28. Juni 1970 wurde Aufrichte gefeiert, und rund ein Jahr später füllte sich der Neubau mit neuem Leben.
Die Kilchhöfler-Familie
Die Bewohnerinnen und Bewohner des Kirchhofplatzes hatten stets einen guten Zusammenhalt und unternahmen auch viele Ausflüge und Reisen.
Ein ganz spezieller Stand hatten die Kilchhöfler Geschäftsleute. Das war vor allem auf die Topographie zurückzuführen. Die Stadtkirche respektive der Kirchhof liegen bekanntlich erhöht auf einem Geländesporn. Das führt dazu, dass sich die vorderen und hinteren Hauseingänge vor allem auf der Süd- und Nordseite auf zwei verschiedenen Ebenen befinden. Die Kirchhof-Seite diente vor allem als Aufenthaltsort für Gross und Klein, Hier fanden viele tolle Feste statt. Auf Seite Rathausstrasse und Amtshausgasse befanden sich seit jeher Geschäfte – teilweise sehr berühmt und legendär. Als Beispiel möchte ich hier erwähnen: Dr Strübin-Gützeler, dr Gmischtwarehändler Kuratli, dr Uhremacher Mägli oder dr Coiffeurmeischter Hoch.
Dr Chille-Güggel
Zuoberst auf der Kirchturmspitze thront majestätisch ein Wetterhahn. An Auffahrt 1933 war für den «Chillegüggel» ein schwarzer Tag. Er wurde nämlich während eines heftigen Gewitters vom Blitz getroffen und stürzte in den Kirchhof. Spenglermeister Senn konnte den Patienten reparieren, so dass er schliesslich wieder auf dem Turm montiert werden konnte. Für die Kirchhof-Jugend war das ein ganz spezieller Moment. So liessen es sich zwei Mädchen nicht nehmen, zusammen mit dem Güggel ein Erinnerungsfoto zu machen.