Das Büro wird nie mehr wie vor Corona

HKBB-Unternehmertreff Liestal Mobile Arbeitsplätze und flexible Raumnutzung als Chance sehen

Marc Brunner.Screenshots: ObZ

Marc Brunner.Screenshots: ObZ

Aufstehen, frühstücken, ins Büro fahren und mal anfangen, E-Mails abzuarbeiten – dieser Arbeitsalltag wird in Zukunft eher die Ausnahme sein als die Regel. «Hört das Büro, wie wir es kennen, auf zu existieren?» Zu dieser Frage referierte Marc Brunner, Business Development Digital Solutions Siemens Schweiz AG, am virtuellen Unternehmertreff Liestal der Handelskammer beider Basel (HKBB).

Als er einmal während des Lockdowns bei Siemens ins Büro ging, weil er etwas holen musste, traf er leere Stockwerke und völlig verwaiste Schreibtische an. Dieses Bild dürfte vielen bekannt vorkommen. Marc Brunner sieht darin einen Trend, der durch die Pandemie noch beschleunigt wurde: Siemens begann nämlich schon vorher, die Büros an veränderte Anforderungen anzupassen, mobile Arbeitsplätze einzuführen und moderne Flächenkonzepte einzusetzen. So steht für Marc Brunner fest: «Bei uns ist mobiles Arbeiten ein Kernelement des ‹new normal›.»

Johanna Trüstedt, Teamleiterin User Experience Drees & Sommer Schweiz AG, schilderte in einem aufgezeichneten Video, wie sie das zukünftige Arbeiten sieht: An manchen Tagen sind die Mitarbeitenden im Homeoffice, an manchen Tagen an einem geteilten Arbeitsplatz. Das bedeutet, dass auf die Arbeitgeber Herausforderungen zukommen. In die Checkliste müssten auch Human Resources und IT einbezogen werden, meinte Johanna Trüstedt, bis zur Kaffeemaschine, die nicht mehr gleich genutzt werde. In der Planung sei mehr Flexibilität gefragt, in Bezug auf das Räumliche müssten neue Module schnell gebaut werden. «Macht Pilotflächen – testen, testen, testen!», empfahl Johanna Trüstedt. Aufgrund eines Bürokonzepts, das der Firmenkultur entspreche, könnten möglicherweise Flächen reduziert werden. Wichtig ist der richtige Mix: Es muss alles vorhanden sein, was die Produktivität fördert, also Arbeitsplätze, Fokusräume, Kollaborationsflächen. Ein «Marktplatz» in der Mitte kann als Socializing-Bereich dienen.

Der Trend gehe also weg von Grossraumbüros, stellte Marc Brunner fest. «Heisst das, wir haben bisher etwas falsch gemacht?» Johanna Trüstedt beantwortete diese Frage mit ja. Aber wichtig sei, dass die Mitarbeitenden auswählen könnten, wo sie arbeiten. So steige die Produktivität.

Ins Büro, um Kollegen zu treffen

Die Frage «Warum gehe ich ins Büro?» ist für Marc Brunner schnell beantwortet: «Weil ich meine Kollegen treffen möchte.» Es brauche Kollaborationszonen für bilaterale Gespräche und Co-Creations, aber auch flexible Fokuszonen, in denen man von zu Hause aus einen Arbeitsplatz buchen könne, um fokussiert zu arbeiten. Nicht alle Leute könnten zu Hause am besten konzentriert arbeiten, fügte Marc Brunner hinzu. Auf der anderen Seite könnten Rückzugszonen in Büros zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden beitragen.

Die neue Situation erfordert zudem, dass man sich viel mehr abstimmen muss. Die Erwartungshaltung der Mitarbeitenden habe sich verändert, ist sich Marc Brunner bewusst. Wenn geteilte Arbeitsplätze angeboten würden, sollte dies gut kommuniziert werden. Werde der neue Büroalltag als holprig empfunden, weil sich Kollegen schlecht finden liessen, stelle sich Unzufriedenheit ein.

Die App organisiert den Alltag

Johanna Trüstedt sieht die Lösung in elektronischen Tools. Man könne nicht einfach zum Kollegen ins Nachbarbüro gehen, sondern müsse im Kalender nachschauen, wann dieser einen Zehn-Minuten-Slot frei habe.

Eine wichtige Rolle könnte dabei eine Firmen-App spielen. Über diese könnte ein Mitarbeiter am Morgen, noch bevor er das Haus verlässt, seinen Arbeitsplatz buchen. Wenn er am Arbeitsort zufällig einen Kollegen trifft, sucht ihm die App einen verfügbaren Raum für ein Gespräch. Die gleiche App zeigt ihm auch das Mittagsmenü des Mitarbeiterrestaurants an. Will er danach weitere Kollegen treffen, zeigt ihm die App, wo sie sitzen, und wenn er das Gebäude noch nicht so gut kennt, führt sie ihn an den richtigen Ort. Am Abend sagt ihm die App dann, dass der Heimweg wegen des Verkehrsaufkommens etwas länger dauert, deshalb macht er sich 15 Minuten früher auf den Heimweg.

Klingen diese Schilderungen etwas futuristisch, so sind die Überlegungen, die sich Arbeitgeber über die Räume machen müssen, bereits sehr real. «Die alte Raumnutzung wird sich ändern, nicht nur einmal, sondern immer wieder einmal», betonte Marc Brunner. Es würden immer einzelne Gruppen in ein Gebäudeteil einziehen, wobei Flächen umgenutzt und die geeignete Anzahl von grossen und kleinen Räumen ermittelt werden müssten. Marc Brunner empfahl eine Datenerhebung über die Raumnutzung, beispielsweise mit Kameras, die auf dem Grundriss anzeigen, welche Wege gegangen werden und wie die Schreibtische ausgelastet sind.

In der Diskussionsrunde berichtete ein Teilnehmer, dass die Freude über neue, teuer aussehende Workspaces gross gewesen sei, aber dass nun aus Kostengründen eher Zurückhaltung zu spüren sei. Marc Brunner regte an, die Raumnutzung als in den gesamten Change-Prozess eingebettet zu betrachten. Bei Siemens sei dieser zum Erfolg geworden, weil die Betroffenen nicht nur die Kosten gesehen hätten, sondern ihn als Chance empfunden hätten.

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