«Dä Schatte isch weg»
Theater Palazzo Michael Huber führte mit seinen Figuren eine Geschichte nach Hans Christian Andersen auf
Mit der Identität ist es so eine Sache: Es kommt auf den eigenen Blickwinkel an, ob Innen- oder Aussensicht, es bleibt aber immer die Menschheitsfrage: Wer bin ich? Und die betrifft jede und jeden, egal welchen Alters. Wer glaubt, Kinder würden sich nicht um so existenzielle Dinge kümmern, wird eines Besseren belehrt. Es gibt auf der ganzen Welt nur eine Literaturgattung, die sich der Aufgabe annimmt, solch komplizierte Fragestellungen in kindgerechte Form zu bringen: das Märchen. Und weil alle Menschen betroffen sind, gelten Märchen auch für alle.
Der Puppenspieler Michael Huber hat sich bei seinem neuen Programm dem Märchen «Der Schatten» von Hans Christian Andersen angenommen und versucht, die dort abgehandelten Probleme in die Puppenspieler-Sprache umzusetzen und weiterzuführen. Michael Huber beweist unter der Regie und Assistenz von Jule Kracht und Veronika Orasch, dass es keine Wahnsinnsanimation braucht, um geeignete Bilder zu erzeugen, welche die Geschichte umrahmen und miterzählen. Hier eine Lampe verschoben und da eine Flasche angeleuchtet, und schon ist man in einer orientalischen Stadt. Es funktioniert auch deshalb so gut, weil es auch inhaltlich um Licht und Schatten geht.
Die Geschichte: Der Schriftsteller Christian schickt in der Geschichte seinen Schatten in ein geheimnisvolles Fenster auf der gegenüberliegenden Strassenseite. So erhofft er sich, mehr über die Bewohner des Hauses zu erfahren, die er nie zu Gesicht bekam. Doch sein Schatten kehrt nicht zurück. Glücklicherweise wächst ihm aber ein neuer.
Erst viele Jahre später erhält er Besuch von einem Fremden, der sich als sein menschgewordener Schatten ausgibt. Von ihm erfährt er, dass das wundersame Haus auf der anderen Seite damals der Poesie gehörte. Der zurückgekehrte Schatten lädt den gelehrten Mann auf eine Reise ein. Mehr und mehr dominiert er Christian, der nun selbst zum Schatten seines Schattens wird. Als dann die Hochzeit des Schattens mit der Königstochter ansteht, will Christian nicht mehr schweigen, er findet zu sich selbst zurück und schickt, anders als bei Andersen, den Schatten weg.
Huber, der offen spielt, benötigt vier Puppen: Christian als Mensch, als Schatten und als Spiegelbild sowie die Königstochter. Christian gleicht in allen dreien dem Puppenspieler, so dass hier etwas sehr Persönliches entsteht. Mit wenig Musik von der Schallplatte, Gesang und dem Spiel gelingt es, entweder nahe an die Figur heranzukommen, oder sich von ihr abzuwenden. Der Schluss des Stücks kommt zwar etwas abrupt und bleibt irgendwie offen. Wer aber die vielen Kinder bei der Premiere gesehen hat, weiss, dass Hubers «Schatten» auch bei dieser Klientel angekommen ist, völlig analog und nicht online.
Christian ist in einer fremden Stadt und gibt seinem Schatten den Auftrag, ins Zimmer gegenüber zu gehen. Fotos: A. Jegge