Wie Corona den Alltag durcheinandergebracht hat
Rothenfluh Lebensgeschichten Direktbetroffener in Buchform erzählt
Corona hat den Alltag grundlegend verändert und hat nicht nur bei den Direktbetroffenen deutliche Spuren hinterlassen. Die «Schreibgruppe Lebensgeschichten» hat sich des Themas und der dahinter steckenden Schicksale angenommen und im Buch «Ein Jahr Corona im Baselbiet» festgehalten.
Vor wenigen Tagen stellte das Team unter der Leitung der Initiantin Karin Viscardi und des Redaktors Remo Schraner das 155 Seiten umfassende Werk anlässlich der Vernissage im Restaurant Säge in Rothenfluh vor. Zugegen waren auch die meisten der Betroffenen sowie die Autorinnen. Letztere haben Einzelpersonen, Familien und Unternehmen aus dem Baselbiet ein Jahr lang begleitet und befragt, wie sie die Coronasituation erlebt haben.
In Form eines Tatsachenberichts sind so zehn Geschichten entstanden, die das Erlebte offen, ehrlich und schnörkellos wiedergeben, weder dramatisierend noch verharmlosend.
Um die Schilderungen überhaupt auf Papier bringen zu können, musste die Verfasserinnen, die alle aus dem Oberbaselbiet stammen, zunächst mit den Betroffenen ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Das ist diesen Frauen, die sich zum Teil erstmals an eine solche Herausforderung wagten, auf eindrückliche Art gelungen, wie Gastautor Jürg Gohl in seinem Nachwort zum Buch betont.
Optimistisch in die Zukunft blicken
Stellvertretend für die Einzelpersonen sei an dieser Stelle die Geschichte der 71-jährigen Frau E.K. wieder gegeben, aufgezeichnet von Irène Böhm. Frau K. erkrankte als Kind an Polio und ist seither körperlich behindert. Beruflich war sie als Mitarbeiterin an einem Gericht und danach als Beistand von alten Menschen stets mit menschlichen Schicksalen konfrontiert. Der Appell des Bundesrats im Frühjahr 2020 «Bleiben Sie zuhause» habe sie wie ein Hammer getroffen und als Déjà-vu-Erlebnis an die seinerzeitige Kinderlähmung erinnert. «Polio-Patienten sind Kampfschweine», betont sie. In der ersten Pandemiewelle habe sie sich isoliert und in panischer Angst vereinsamt gefühlt. In der zweiten Welle gehe es ihr besser. Aber, bedauert die 71-Jährige, die zwischenmenschlichen Kontakte seien immer noch erheblich eingeschränkt. «Wir haben es uns anders vorgestellt. Aber jetzt machen wir das Beste aus der Situation». Das sagten sich zu Beginn der Pandemie Stefanie Cairoli und David Simon, die in Rothenfluh das Restaurant Säge führen und das Wesentliche wiederholten, was Barbara Paulsen Gysin im Buch über das Gastronomenpaar festgehalten hat. Statt zu jammern und mit dem Schicksal zu hadern, blickt das junge Paar vorwärts und optimistisch in die Zukunft. David arbeitet im Lockdown als Hilfsarbeiter auf dem Bau und hilft seiner Partnerin beim Take-away-Service. Das ganze sechsköpfige Sagi-Team bleibt zusammen und zieht am gleichen Strick. Ein Kinderhort, den Stefanie anstelle der geschlossenen Schule einrichten möchte, scheitert zwar an den vielen Auflagen der Behörden. Ungeachtet dessen gestalten sie das Restaurant um und verwandeln die Terrasse in eine Pergola. Mit der Aussage «Die Coronakrise mag sie bremsen. Die Arbeitslust, den Optimismus und die Freude am Gestalten ihrer Zukunft raubt sie ihnen nicht» bringt die Autorin die Tatkraft der Sagi-Belegschaft auf den Punkt.
Berührend ist auch die von Margrit Mathys aufgeschriebene Geschichte der Bauernfamilie Heinimann aus Bennwil. Eine Erbkrankheit zweier ihrer drei Kinder belastet die Familie zusätzlich, denn ein Sohn verstarb 2008 im Alter von vier Jahren an den Folgen einer Knochenmarktransplantation. «Ich bin froh, dass alles weitergeht», stellt die Mutter fest und blickt trotz der Einschränkungen optimistisch in die Zukunft.
Link zum Buchkauf: www.schreibgruppe-lebensgeschichten.ch/corona-geschichten.html