Klientel hat sich gewandelt

Gelterkinden Leitungswechsel im Zentrum für Sonderpädagogik «Auf der Leiern» 

René Zumsteg löst Ende März Evelyne Bauer Richter als Leiter des Zentrums «Auf der Leiern» ab.Foto: M. Schaffner
René Zumsteg löst Ende März Evelyne Bauer Richter als Leiter des Zentrums «Auf der Leiern» ab.Foto: M. Schaffner

Acht Jahre lang hat Evelyne Bauer Richter das Zentrum für Sonderpädagogik «Auf der Leiern» in Gelterkinden geleitet. Der künftige Institutionsleiter René Zumsteg arbeitet sich nun während eines Monats ein, bis seine Vorgängerin Ende März in Pension geht. Eine grosse Abschiedsfeier, bei der sich alle Kinder und Erwachsenen aus Schule, Internat, Therapie und Services versammeln, lässt allerdings die aktuelle Coronasituation nicht zu.

Der personelle Wechsel fällt in eine schwierige Zeit. Aber dennoch herrschen weniger turbulente Verhältnisse als vor acht Jahren: Damals führte der Kanton Baselland die Integrative Schulungsform (ISF) ein, was für die «Leiern» einen grossen Umbruch bedeutete. «Es hat sich schnell mehr geändert, als ich gedacht habe», blickt Evelyne Bauer Richter zurück. Kinder mit Beeinträchtigungen wurden vorzugsweise in die Regelschule integriert und die Heimplatzierungen nahmen ab. Mit dem Resultat, dass das Zentrum für Sonderpädagogik plötzlich zu wenige Kinder hatte, um die Institution zu füllen, und Personal entlassen musste. «Das war eine sehr belastende Situation für alle», erinnert sich Evelyne Bauer Richter.

Drei Monate später habe sich dann alles ins Gegenteil gedreht, fährt die Institutionsleiterin fort: «Wir hatten plötzlich das Haus voll, aber mit einer anderen Klientel.» Hatte sich diese bisher aus Kindern mit einer körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigung zusammengesetzt, so nahm die «Leiern» nun zunehmend Kinder mit einer psy­chischen Beeinträchtigung auf, oft in ­Verbindung mit einer kognitiven Beeinträchtigung. «Kinder, die nicht inte­griert werden können, die laut sind, die verhaltensauffällig sind, die dort, wo sie vorher waren, den Schulbetrieb gestört haben», verdeutlicht Evelyne Bauer Richter. Die Zahl der körperbehinderten Kinder und Jugendlichen nahm dagegen ab – die letzte junge Frau im Rollstuhl hat die Institution im Dezember 2020 verlassen.

Herausfordernde Arbeit

Die Kopplung von psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen stellt hohe Ansprüche an Pädagogik und Therapie. «Das Verhalten von einem schwer körperlich oder geistig beeinträchtigten Kind kann auch herausfordernd sein», meint Evelyne Bauer Richter, «aber ich weiss, es kann etwas aus kognitiven Gründen nicht.» Ein Kind hingegen, das beispielsweise traumatisiert sei und sich plötzlich unerklärlich aggressiv verhalte, benötige eine andere Betreuung. «Wir mussten umlernen», stellt Evelyne Bauer Richter fest. Einige Mitarbeitende, die lieber mit «klassisch» behinderten Kindern arbeiten wollten, hätten in der Folge gekündigt. Bei Personalwechsel werde darauf aufmerksam gemacht, dass die Kinder nicht immer herzig, bedürftig und dankbar seien, sondern teilweise recht heftig und unerwartet reagieren könnten.

Was auch geändert hat, ist die Aufenthaltsdauer. Früher kamen die Kinder zu Beginn der Schulzeit und gingen am Ende wieder. Heute gebe es viel mehr Wechsel, sagt Evelyne Bauer Richter. Zudem gebe es immer mehr, die aufgrund ihrer Familiensituation am Wochenende und in den Ferien nicht nach Hause gehen könnten, wodurch sich der Betreuungsaufwand erhöhe.

20 Jahre Erfahrung

Der neue Institutionsleiter ist aufgrund seiner beruflichen Erfahrung bestens mit diesen Umständen vertraut. René Zum­steg ist vor 20 Jahren in die soziale Arbeit eingestiegen und hat mit unterschiedlichen Menschen gearbeitet, die Unterstützung brauchen. Darunter waren auch verhaltensauffällige sowie kognitiv und mehrfach beeinträchtigte Kinder und Erwachsene. Zuletzt war René Zumsteg Bereichsleiter für den Kinder- und Jugendbereich, mit einer heilpädagogischen Schule, einem Internat und einer Kindertagesstätte. Die Grösse der Bereiche ist ähnlich.

Im Zentrum «Auf der Leiern» sind zurzeit 41 Kinder platziert, das Personal zählt rund 80 Mitarbeitende. Neben der Schule und dem Internat werden verschiedene Therapieformen angeboten. Während die Behandlungen in Physiotherapie und Logopädie aufgrund der veränderten Klientel zurückgegangen sind, ist der Bedarf an Psychotherapie stark gestiegen. Ausserdem bietet das Zentrum Ergotherapie, Psychomotorik und Heilpädagogisches Reiten an.

Eine anspruchsvolle Zeit

In «normalen» Zeiten ist das Zentrum «Auf der Leiern» eng ins Gelterkinder Dorfleben eingebunden: Kinder aus der Umgebung spielen auf dem öffentlich zugänglichen Spielplatz, Vereine mieten sich in die Turnhalle ein, im Schwimmbecken findet das Babyschwimmen statt. Und das Leiern-Fest zieht jedes Jahr viele interessierte Besucherinnen und Besucher an. Solange die Corona-Massnahmen in Kraft sind, muss dieser Austausch ruhen.

Für die Kinder sei die momentane Zeit anspruchsvoll, ist sich Evelyne Bauer Richter bewusst. Alle Aktivitäten fänden gruppenbezogen statt und die Masken dürfen sie nur allein im Zimmer oder beim Essen abnehmen. Aber das strenge Konzept zahle sich aus: Nur einmal hat es im Herbst eine interne Covid-19-Ansteckung gegeben. Seitdem wurde niemand mehr in der Institution angesteckt.

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