Chor-Urgestein ist abgetreten
Oltingen Gemischter Chor hört nach 95 Jahren mit einem Abschiedskonzert auf
Sander van Riemsdijk
Eine musikalische Tradition ist am vergangenen Sonntagabend mit einem letzten Auftritt zu Ende gegangen. Der gemischte Chor Oltingen hat sich in der örtlichen Mehrzweckhalle mit einem Konzert unter dem Motto «Welch ein Singen, Musizieren, Pfeifen, Zwitschern, Tirilieren! Frühling will nun einmarschieren, kommt mit Sang und Schalle» definitiv von der Musikbühne verabschiedet. Ein Hauch von Wehmut und sanfter Melancholie nach so vielen Jahren zusammen singen und musizieren schwang bei den Chormitgliedern in ihrer letzten Aufführung mit. «Es geht wirklich nicht mehr», sagte Präsidentin Elisabeth Lüthy der ObZ, «aus Altersgründen, weil wir alle keine Kraft und keine Energie mehr haben.» Ebenso wurde der 95-jährige Chor, bei dem einige Mitglieder schon 40 bis 50 Jahren mitsingen, mit einem Problem konfrontiert, mit dem sich auch andere Chöre auseinandersetzen müssen: der fehlende Nachwuchs. Der Chor besteht aus nur noch 17 Personen – elf Frauen und sechs Männer in fortgeschrittenem Alter. «Fehlt mal eine Stimme, haben wir schon ein grosses Problem», erläutert Elisabeth Lüthy, in welch kritischer Verfassung sich der Chor befindet und schiebt nach: «Wir wollten noch einmal auf die Bühne und nicht einfach klang- und sanglos verschwinden.» Es wurde ein emotionaler Abschied.
Mit einer voluminösen Dynamik
Die Mehrzweckhalle war bis auf den letzten Platz besetzt, als unter der Leitung von Dirigentin Tabitha Schuler, die seit 44 Jahren für das Musikprogramm zuständig war, der Chor mit Leidenschaft und Freude vielseitige Performances zum Thema Vogel und Fliegen in unterschiedlichen Sprachen zu Gehör brachte.
Noch einmal füllte der noch immer volle Gesang die Mehrzweckhalle, professionell musikalisch begleitet vom Tastenzauber von Stefan Furter am Klavier und von den bunten Klängen aus der Klarinette von Roberto Travella.Beide Musiker sind langjährige musikalische Weggefährten des Chors. Das differenzierte Repertoire mit einer voluminösen Dynamik und einer immer noch hohen Anforderung hinsichtlich Intonation zielte auf die vielen musischen Ohren von Jung und Alt und eroberte in Kürze die Herzen des Publikums.
Der Vorhang schliesst sich
Gina Walter, eine der besten und beliebtesten Slam-Poetinnen der Schweiz, umrahmte das Abschiedskonzert mit heiteren, nachdenklichen Texten zum Konzertthema und in gefeilter Sprache – «Abheben sollte man können». Ein zum Abschied abwechslungsreiches und grossartiges Konzertprogramm mit grossem musikalischen und verbalen Unterhaltungswert, das zusammen mit der musikalischen Begleitung noch einmal für ein tolles Singerlebnis sorgte, fand nach anderthalb Stunden sein trauriges Ende. So manche Träne floss, als nach der Zugabe sich der Vorhang schloss und das Publikum mit einer Standing Ovation den Chor definitiv von der Bühne verabschiedete. Was bleibt sind schöne Erinnerungen aus 95 Jahren Gemischter Chor Oltingen.