«Manche Fälle können einem nahegehen»
Suchhunde Markus Hügli spürt mit seinen Hunden vermisste Menschen und Tiere auf

Nap (englisch «Näp» ausgesprochen) ist ein gemütlicher, zufriedener Hund. Wie sein Name schon sagt, ist er einem Schläfchen nicht abgeneigt. Doch wenn der fünfjährige Border Collie eine Fähre wittert, ist er nicht mehr zu bremsen. Die Nase am Boden, zieht er an der Leine und läuft schnurstracks los.
Nap ist nicht irgendein Hund, sondern ein nach K-9-geprüfter Suchhund. Sein Besitzer, Markus Hügli, kommt ursprünglich aus dem Hundesport und hatte mit seinem früheren Hund Agility trainiert. Per Zufall stiess er auf das «Mantrailing»: Dabei muss ein Hund eine Person aufgrund ihres individuellen Geruchs auffinden. «Es ist die sinnvollste Beschäftigung und Auslastung, die man einem Hund geben kann», ist Markus Hügli überzeugt. Im Gegensatz zu anderen Hundesportarten belaste das Trailen den Körper und die Gelenke nicht, sondern trainiere das, was der Hund von Natur aus mitbringe: «Seine Nase.»
2015 machte Markus Hügli in Deutschland die Ausbildung zum Trail-Trainer, ein Jahr später seine Frau Sonja ebenfalls. Inzwischen bietet das Paar aus Wittinsburg mehrmals pro Woche Trail-Trainings an. Beide haben beim K-9 alle Trainerstufen durchlaufen und bilden Teams für die Personen- und Tiersuche aus. Markus ist zudem Trainerausbildner und Prüfer. Der Ablauf ist immer derselbe: Eine Person versteckt sich, der Hundebesitzer bekommt einen Geruchsartikel, beispielsweise ein Kleidungsstück, das die Person getragen hat – und der Hund den Auftrag, die Person zu finden. «Die Leute staunen immer», stellt Markus Hügli fest. «Sie fragen sich: Das soll gehen? Ja, es geht!» Die Geruchsspur bestehe, die ein Mensch hinterlasse, bestehe hauptsächlich aus Hautschuppen, erklärt der Trail-Trainer. Selbst im Winter reiche das, was vom Gesicht oder aus den Ärmeln herunterfalle, für den Hund, um der Spur nachzugehen. Das sei eine natürliche Fähigkeit: «Ein Wolf würde nicht überleben, wenn er seine Beute nicht aufspüren und verfolgen könnte.»
Obwohl die meisten Leute das Trailen als Sport oder Hobby betreiben, haben sie die Möglichkeit, mit ihren Hunden dieselben Prüfungen zu absolvieren, die für professionelle Sucheinsätze vorausgesetzt werden. «Es gibt ein Prüfungssystem mit einer Checkliste, mit der spezielle Situationen getestet werden, die es im Einsatz geben kann», erläutert Markus Hügli.
Suchhunde spüren vermisste Tiere auf, vom Pferd bis zur Schildkröte
Zu unterscheiden ist zwischen der Personensuche und der Tiersuche. Seit 2018 existiert in der Schweiz der Verein K-9 Tiersuche, dessen Präsident Markus Hügli ist. 64 Beraterinnen und Berater stehen zur Verfügung und unterstützen Tierhalter, die sich über eine Notfallnummer melden können, wenn ihnen ein Tier entlaufen ist. Sie erhalten Tipps, wie sie sich verhalten sollen, und wenn nötig, wird ein Tiersucheinsatz organisiert. Auch hat der Verein die Möglichkeit, ein vermisstes Tier mit einer Lebendfalle zu sichern.
Ein typisches Beispiel: Beim Spazieren berührt ein Hund einen elektrischen Weidezaun, erschreckt sich und sucht das Weite. Wenn er noch die Leine mit sich herumträgt, besteht die Gefahr, dass er sich im Wald irgendwo verheddert und nicht mehr loskommt. Bei den meisten Sucheinsätzen gehe es um Hunde oder Katzen, erzählt Markus Hügli, aber er habe auch schon Schildkröten gesucht, in Dittingen ein zwei Tage altes Kalb, in Oberdorf vier Pfauenziegen, und in Reigoldswil sei er wegen eines Pferdes beigezogen worden.
Suizid: Lieber tragische Gewissheit als Unsicherheit
Die Personensuche ist separat organisiert: K9 Pro heisst die Organisation, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit rund 20 geprüften Einsatzhunden nach vermissten Personen sucht. Oft werden demente Menschen gesucht, die sich verirren und den Weg nicht mehr zurückfinden, oder Kinder, die etwas angestellt haben und sich nicht mehr nach Hause getrauen. Häufig sind es tragische Fälle, wenn nämlich herauskommt, dass die vermisste Person Suizid begangen hat.
Die Suchhunde-Experten unterstützen Familienangehörige – auch wenn die Polizei den Fall nicht mehr weiter bearbeitet. Markus Hügli erzählt von einem Fall in Küttigen im Kanton Aargau, wo eine Frau vermisst wurde. Die Einsatzhunde der Polizei brachten kein Resultat und der Ehemann fühlte sich alleingelassen, da sich die Ermittler schon um den nächsten Fall kümmern mussten. Die K9-Pro-Hunde konnten schliesslich den Verdacht bestätigen, dass die Frau Suizid begangen hatte. Das sei kein Vorwurf an die Blaulichtorganisationen, betont Markus Hügli. Diese hätten beschränkte Kapazitäten.
Bis heute verzeichnet Markus Hügli mit seinen Hunden keinen einzigen ungelösten Fall, auch wenn es manchmal Tage oder Wochen dauert, bis die vermisste Person gefunden ist. Nicht immer findet er sie direkt. Bei einer Suche, die in einem Spitalzimmer begann, zeigte der Hund die richtige Richtung an, aber dann kam bereits die Polizei mit der dementen Person, die sie aufgegriffen hatte, weil sie sich auffällig verhalten hatte. Bei einem anderen Fall, bei dem fünf Hunde aufgeboten wurden, konnte schliesslich der entscheidende Hinweis erbracht werden: Die Einsatzkräfte fanden die Person schliesslich tot in einem Weiher.
«Manche Fälle können einem recht nahegehen», gibt Markus Hügli zu. Personensuche sei schon eine andere Sache als Tiersuche. Es laste ein hoher Druck auf einem, weil die Angehörigen wissen wollten, was passiert sei. Einmal sei eine Frau mitsamt ihren drei Töchtern und deren Ehemänner vor ihm gestanden. «Sie haben mit dem Schlimmsten gerechnet, aber baten uns, die Person zu finden, weil sie Sicherheit wollten.» Auch in diesem Fall habe sich herausgestellt, dass es ein Suizid gewesen sei.
Zwei ausgebrannte Autos und eine Leiche
Da K9 Pro in mehreren Ländern tätig ist, wird Markus Hügli oft nach Deutschland gerufen. Ein Fall ist ihm besonders in Erinnerung: Am Einsatzort waren zwei total ausgebrannte Autos und eine verkohlte Leiche und die Polizei wollte von ihm wissen, ob noch eine zweite Person involviert war. Mittels eines Geruchsartikels aus einem Auto konnte Markus Hügli bestätigen, dass es sich bei der Leiche um den Besitzer der beiden Autos handelte, was die Laboruntersuchung drei Tage später bestätigte. Ausserdem konnte er ausschliessen, dass in der Nähe noch eine zweite Leiche lag. Die Polizei konnte schliesslich rekonstruieren, dass der Autobesitzer Selbstmord begangen hatte – zuerst fuhr er mit dem einen Wagen in einen Baum, überlebte aber und wiederholte die Tat mit dem zweiten Wagen.
Für den beschriebenen Fall fuhr Markus Hügli extra nach Duisburg – 22 Stunden war er unterwegs. Es seien zwar auch deutsche Polizeihunde dort gewesen, aber laut einer Polizistin sei K9 Pro hinzugezogen worden, «weil wir Ihren Hunden mehr vertrauen».
Viel Geld lässt sich mit solchen Einsätzen allerdings nicht verdienen, denn sie sind zeitaufwendig und die Tarife sind nicht kostendeckend. Das Geld sei auch gar nicht die Motivation, unterstreicht Markus Hügli: «Sondern Menschen zu helfen, die ein Tier oder eine geliebte Person vermissen und hilflos sind.»
Versteckspiel im Altersheim: Auflockerung und Training zugleich
Nicht alle Einsätze sind so dramatisch wie der Fall in Duisburg. Häufig geht es etwa darum, eine Person zu finden, die aus einem Altersheim verschwunden ist. Ein Altersheim stellt die Suchhunde vor eine besondere Herausforderung, weil sie dort viele ungewohnte Gerüche vorfinden. Um diese Situation zu trainieren, organisiert Markus Hügli regelmässig einen Event im Alters- und Pflegeheim zum Eibach in Gelterkinden, zu dessen Leiter Heimleitung er einen guten Kontakt hat: «Für uns ist es eine gute Gelegenheit zum Trainieren und für die Bewohner ist es eine Auflockerung.» Vorgängig gibt es einen Vortrag und dann dürfen die freiwilligen Teilnehmer aussuchen, für welchen Hund sie versteckt werden wollen.
Beim letzten dieser Event vor einigen Wochen war Markus Hügli mit seinem Border Collie Nap im APH zum Eibach, Sonja Hügli mit ihrer Hündin Bliss, eine Kromfohrländer-Mischung. Auch die nächste Generation wird bereits nachgezogen: Mit Cord (English Springer Spaniel) und Daja (Berger des Pyrénées) haben beide je einen weiteren Hund in Ausbildung.