Wo steckt das Kunstwerk?
Liestal Die Kunsthalle Palazzo zeigt «Corpo e Spazio» von Emanuel Strässle
Jede Künstlerin, jeder Künstler setzt sich mit dem Thema Raum und Körper im Raum auseinander. In der Bildhauerei wird die Form zum Beispiel im Stein gesucht und herausgearbeitet. Erweitert man den Raumbegriff, entstehen unzählige Möglichkeiten: Wo steckt das Kunstwerk drin, wie bekomme ich es heraus? Der im Toggenburg gebürtige und in Basel arbeitende Emanuel Strässle beschäftigt sich auch in der von Michael Babics kuratierten Ausstellung «Corpo e Spazio» mit diesem Thema.
Empfangen werden die Besucherinnen und Besucher durch ein neu gestaltetes Entrée, auf das wir am Schluss nochmals zu sprechen kommen. Der erste kleinere Raum konfrontiert uns mit an den Wänden montierten Konvexspiegeln, wie wir sie aus dem Strassenverkehr kennen. Wir werden von ihnen reflektiert und eingebunden in ein Netz aus Spiegelungen und Widerspiegelungen. Als Teil dieses Raumgefüges lösen wir einerseits durch unsere Wahrnehmung den eigentlichen Raum auf. Andererseits vermittelt sich auch das Gefühl des Beobachtet-Werdens, was beängstigend wirkt.
Der nächste Raum zeigt uns Körper im Raum, inszeniert als Skulpturen auf Sockeln. Der Künstler nennt sie «nuovi tipi di abitazioni». Es sind eigentliche Objets trouvés, gefunden in der Natur. Es handelt sich um Skelette von Bäumen, die durch Insektenfrass und andere Zersetzungen zu «Wohnungen» geworden sind und als Kunstwerk auf den Sockel gehoben werden.
Im grossen Raum sind drei Abteilungen installiert. Durchschreitet man die Doppeltüren, hat man an der Wand hinter sich schwarze Punkte, die wie Augen wirken. Es gibt einen grossen und viele kleine Punkte. Nun hat der Künstler aber eine weitere Intention. Die Punkte kann man kaufen. Strässle verbindet die neuen Standorte der einzelnen Werke im Internet. So entsteht ein Netz von Beziehungen, die einen eigenen Raum entwickeln.
Das grösste Objekt ist eine Installation aus einer gebogenen gelben Wand, die den Raum unterteilt und damit neue Orte schafft. An den Wänden hängen grossformatige Drucke von analogen Schwarz-weiss-Fotos. Darauf zu sehen sind Bäume, denen der lebenslange Kampf gegen Wind und Wetter anzusehen sind. Entstanden in Schweden, erscheinen sie auf den ersten Blick wie Fotos, die man etwa auf einer Wanderung macht. Doch dem Künstler gelingt es, die Individualität der Bäume so herauszuheben, dass aus ihnen Kunstwerke werden. Im schmalen Raum ist eine ähnliche Montage von Fotos gehängt. Sie zeigt in derselben Technik quadratische Oberflächen von Wasser, das von Wind und Strömung bewegt und künstlerisch festgehalten etwas Filmisches erhalten.
Nun nochmals zurück zu Raum 1 und seiner speziellen Einrichtung. Hier soll die Besucherin, der Besucher ankommen bzw. nach dem Besuch der Ausstellung nochmals innehalten. Er und sie kann über das Erlebte sinnieren, das Gesehene verarbeiten und auch über den sich anschliessenden Nebenraum nachdenken, der halb mit Heu gefüllt ist, das sich durch starken, aber angenehmen Geruch ausbreitet und auch zur besonderen Atmosphäre des Empfangsraums beiträgt.
Kunsthalle Palazzo Liestal; Emanuel Strässle Corpo e Spazio, bis 27.Juni 2021. Sonntags 15 Uhr Öffentliche Führung durch Michael Babics. www.palazzo.ch