Sport als Community-Arbeit
Die Trainings der «Fraumatt Legions» sind ein beliebter Anziehungspunkt im Quartier
Die Kinder und Jugendlichen haben sichtlich Spass, wenn sie quer über das Spielfeld sprinten, Bälle fangen, einander abzufangen oder einander auszuweichen versuchen. Es ist ein heisser Nachmittag, aber die Bäume werfen zumindest auf die eine Hälfte des Rasens ein bisschen Schatten. Und zwischendurch gibt es immer wieder Trinkpausen. Schweissperlen haben sich in den Gesichtern gebildet, aber von Müdigkeit ist nichts zu spüren, im Gegenteil, die Trainierenden sind konzentriert bei der Sache und holen, wenn erforderlich, immer noch einen Extra-Effort aus sich heraus. American Football beansprucht Körper und Geist gleichermassen: Blitzschnell müssen taktische Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel, in welche Richtung man rennt, aber auch physischer Einsatz ist gefragt.
Normalerweise wimmelt der Schulhausrasen, wenn die «Fraumatt Legions» ihr Training haben, mit 30 bis 35 Kindern und Jugendlichen. Heute sind es nur etwa ein Dutzend, plus vier erwachsene Coaches. Obwohl auf dem Platz ständig etwas passiert, herrscht eine grosse Disziplin: Kommandos schallen über den Platz, aber es fühlt sich nicht wie ein «Herumkommandieren» an. Die meisten wissen sowieso, was in welchem Moment zu tun ist. Die Älteren helfen den Jüngeren, manche von ihnen sind Geschwister, sie klatschen sich gegenseitig mit der Hand ab, wenn etwas besonders gut gelungen ist, und es ist ganz normal, dass die Jüngeren, die noch nicht so schnell rennen können, ins Geschehen integriert werden. Auch das Aufwärmen haben die Kinder ziemlich selbstständig bestritten. Wer dem Training zuschaut, stellt schnell fest: Teamarbeit ist bei diesem Sport unerlässlich und wird auch gelebt.
«Wenn einer fehlt, kann man nicht spielen, es braucht jeden Einzelnen», erklärt Diana, ein vielversprechendes Talent der «Fraumatt Legions». Mit American Football hat sie angefangen, weil sie etwas Neues probieren wollte. «Und weil es mir Spass machte, habe ich es durchgezogen», erzählt sie. Früher habe ihr Fussball besser gefallen, aber jetzt gefalle ihr American Football besser. Fussball sei zwar auch ein Teamsport, aber beim American Football gehe wirklich nichts ohne das Team, deshalb sei man sich viel näher.
Der Verein «Fraumatt Legions» zählt heute rund 70 Mitglieder, die meisten kommen aus dem Quartier, darunter sind Erwachsene, Jugendliche und Kinder – das Alter reicht von fünf bis 49 – aus etwa 20 Nationen und Kulturen. Mütter und Väter engagieren sich am Spielfeldrand als Fans, beim Organisieren, als Coaches oder spielen sogar selber mit. Zweimal pro Woche trainieren alle zusammen, montags die Erwachsenen unter sich.
In beeindruckend kurzer Zeit – gegründet wurden die «Fraumatt Legions» 2022 – hat der Verein die Grösse und Qualität erreicht, um mehrere Mannschaften zu stellen, zuerst zusammen mit den Basler «Gladiators», seit letztem Jahr als eigenständige Mannschaft. Mit einem U11-, zwei U13-, einem U16- und einem Erwachsenen-Team nahmen sie dieses Jahr an den Meisterschaften in der C-Liga teil. Die Teams sind übrigens, ausser in der Nati A, geschlechtergemischt.
Wichtiges Detail: Die «Fraumatt Legions» spielen hauptsächlich die Football-Variante, bei der die Gegner nicht gerammt werden, sondern versucht werden muss, seitlich an der Hüfte angebrachte Bändel (sogenannte «Flags») zu ziehen. Nur ein kleiner Teil der Mitglieder trainiert die Vollkontakt-Variante. «Flag Football» etabliert sich aber immer mehr und wird ab 2028 eine olympische Sportart. Das eröffne neue Möglichkeiten und Ausblicke, meint Vereinspräsident Milo Graf. Das Nationalteam werde inzwischen sehr gefördert. Und irgendwann, vielleicht nicht 2028, aber später einmal, könnten auch die «Legions» an diesem Punkt sein.
Am Anfang aus Youtube-Filmen gelernt
Doch auch auf das bisher Erreichte darf Verein stolz sein. Er entstand nämlich vor zwei Jahren buchstäblich aus dem Nichts: Milo Graf, Lehrer an der Fraumatt-Schule, hatte am Anfang wenig bis keine Ahnung von American Football, ausser dass er sich diesen Sport gern am fernsehen ansah. Die fürs Training nötigen Kenntnisse eigneten er und seine Mit-Initiatoren sich aus Youtube-Filmen an. Inzwischen sind aber weitere Coaches hinzugestossen, die Erfahrung besitzen und diese weitergeben können.
Der Beweggrund, einen Verein auf die Beine zu stellen, war zu Beginn gar nicht das Interesse American Football als solches. «Wir wollten etwas fürs Quartier tun», erklärt Milo Graf. Die Schule sei ein wichtiges Zentrum fürs Quartier und viele Kinder und Jugendlichen hielten sich hier auf, aber sonst gebe es fast nichts für sie. Es gebe einen Laden, aber keinen Treffpunkt, wie ein Restaurant oder ein Café, und durch die A22 werde das Fraumatt-Quartier vom restlichen Liestal abgeschnitten. «Dabei ist es ein so tolles Quartier mit tollen Menschen, tollen Eltern und Familien», findet Graf.
Also sei er mit seinen Kollegen zusammengesessen, um zu überlegen, was getan werden könnte. Das Ziel: Es sollte nicht bloss ein normaler Sportverein gegründet werden, sondern etwas, das in Richtung Community-Arbeit geht. Wie sich heraus stellte, ist American Football mit seinem starken Team-Charakter sehr geeignet dafür. «Wir fingen einfach an, auf dem Platz zu trainieren, und nach und nach kamen immer mehr Kinder und Jugendliche dazu», erzählt Milo Graf.
Das Schöne am Football ist, dass es für alle, ob Gross oder Klein, ob fit oder weniger fit, eine Rolle gibt. «Wir können alle brauchen», sagt Milo Graf. Alle seien wertvoll auf ihren jeweiligen Positionen, «auch der Sechsjährige, der nur sieben Yards auf den Quarterback zurennen muss.» Der Name «Legions» sei übrigens nicht nur gewählt worden, weil die Römer früher in der Region gewesen seien und eine römische Wasserleitung durchs Fraumatt-Quartier führe, sondern auch, weil die römischen Legionäre keine Einzelkämpfer gewesen seien, sondern zusammengearbeitet hätten.
Der Aspekt der Community-Arbeit zeigt sich auch darin, dass die «Fraumatt Legions» sogenannte Cleanup-Tage veranstalten, in denen sie den Abfall im Quartier einsammeln, und dass sie zusammen mit dem Jugendarbeit-Anbieter KJF das Patronat eines neuen Jugendraums übernommen haben. Auch mit der Stadt Liestal besteht eine enge Zusammenarbeit. Milo Graf hat viele weitere Ideen, etwa eine Aufgabenhilfe oder dass Spieler/-innen mit Beeinträchtigung einbezogen werden, möchte das aber langsam angehen, da es bereits jetzt schon mehr als genug zu tun gebe und die Zeit immer knapp sei.
Alle sollen Sport machen können, unabhängig vom Budget
Dem Community-Gedanken entspricht auch, dass die Mitgliederbeiträge sehr niedrig angesetzt sind: «Alle sollten Sport machen können», ist Milo Graf überzeugt. Er denkt dabei nicht nur an Familien und Alleinerziehende, die Sozialhilfe beziehen, sondern auch an solche, die arbeiten, aber für die es schwierig ist, Geldbeträge für Freizeitaktivitäten aufzubringen – gerade, wenn sie versuchen, nicht von der Sozialhilfe abhängig zu werden. «Liestal macht zwar schon viel, wie mit der Kulturlegi, aber wir wollten noch ein zusätzliches Zeichen setzen», betont Milo Graf. Der Verein finanziere sich deshalb nicht hauptsächlich über die Mitglieder, sondern über Sponsoren.
Anlässe von Sponsoren bieten den Fraumatt Legions» ausserdem Gelegenheit, in der breiteren Öffentlichkeit aufzutreten. So werden sie am 10. August «BLKB bei uns» auf dem Zeughausplatz dabei sein sowie am EBL-Arealfest, das am Wochenende vom 24. und 25. August stattfindet. fraumatt-legions.ch