Mit Strom in die Zukunft
«Riesige Herausforderung» Energiegespräch Nussbaumer-Nordmann in Liestal
Als «eigentliche Architekten der Energiezukunft» wurden sie bezeichnet, die im Parlament die Energiewende vorantreiben, aber auch zulassen, «dass Politiker anderer Richtung die entscheidenden Tore schiessen können» – die Rede ist von Eric Nussbaumer (BL) und Roger Nordmann (VD), den beiden Energie-Profis der SP. Die Nationalratskandidat/-innen der Liste «SP60+» hatte sie vergangene Woche zum «grossen Energiegespräch» nach Liestal eingeladen.
In Interviewform legten sie ihre Vision für die Energiewende in der Schweiz dar. Meist stellte Nussbaumer die Fragen und Nordmann, der soeben ein Buch über Klimaschutz und Energiesicherheit veröffentlich hat, antwortete detailreich. Beide sind der Ansicht, dass ein riesiger Investitionsschub für die Elektrifizierung unseres Energieverbrauchs notwendig ist. Laut Nordmann hätten unsere Grosseltern mit dem Bau von Stauseen vier Prozent des BIP ins Stromsystem investiert, dann seien in den 70ern mit den AKW noch zwei Prozent investiert worden, aber seither sei es bei einem halben Prozent geblieben: «Wir leben von der Substanz.»
Über allem schwebt die globale Herausforderung der Klimakrise: Bis 2050 will die Schweiz netto null CO2 ausstossen, aber es sei schon ein Wunder, wenn wir das schaffen würden, meinte Roger Nordmann. «Wir müssen machen, was wir können, und investieren», ist er überzeugt. Wenn reiche Länder sich anstrengen und ärmere gerade noch «die Kurve kriegen» würden, könnten wir die Auswirkungen abmildern – vielleicht würden wir das Ziel von zwei Grad Erderwärmung verpassen, aber das sei immer noch ein riesen Unterschied zu drei Grad. «Die Lage ist verdammt schwierig und jetzt müssen wir handeln», betonte Nordmann. Zudem hätten wir eine historische Verantwortung für das CO2, das schon in der Luft sei.
Handeln kann die Schweiz in mehreren Bereichen: Der Verkehr macht gemäss Nordmann ein Drittel der Gesamtemissionen aus, die Gebäude ein Viertel, dazu kommen direkte Emissionen der Industrie, etwa durch Gas in Hochöfen, und die Fliegerei. Das Auto werde nicht verschwinden, deshalb sei eine Elektrifizierung nötig, dazu Wärmedämmung, Holz, Geothermie, Wärmepumpen. All das bedinge aber einen massiv höheren Stromverbrauch, vier Mal mehr, als wir heute mit Wasserkraft produzieren.
Oder wie Eric Nussbaumer ausrechnete: 80 Terawattstunden. Das sei machbar, und zwar mit Photovoltaik (PV). Auch im alpinen Raum; es sei eine Lebenslüge, die Landschaften als ein «Ballenberg» einfrieren zu wollen. Durch PV werde Energie sichtbar, quasi als Mahnmal für effizienten Verbrauch, anders als bei der unsichtbaren Öl-Extraktion. Zudem seien Solarpanel rückbaubar.
Allerdings müsse die Energiesicherheit gewährleistet sein, sonst schwinde das Vertrauen in die Elektrifizierung, fügte Roger Nordmann hinzu. Als beste Lösung für die Sicherheit bezeichneten beide die Vernetzung mit den Nachbarn, wobei sich Nussbaumer etwas marktfreundlicher zeigte als Nordmann, der auf Förderinstrumente besteht, «um das Marktversagen zu kompensieren». Voraussetzungen sind für beide ein Abkommen mit der EU und der Schutz der Kleinkunden. Auf soziale Auswirkungen angesprochen, stellte Nordmann das Verursacherprinzip infrage: «Verteuerung von dreckiger Energie wird das Problem nicht lösen, weil Reiche sie weiter nutzen.» Und: Investitionen in die Zukunft sollten gerechterweise nicht steuerfinanziert werden, sondern durch Verschuldung.